Ōme City – Mitake-san (青梅市・御岳山) (dt.)

20. April 2018

Wanderschaft, Pilgerschaft und Kulturgüter

Mitake-san (御岳山)

Eine englische Version dieses Artikels finden Sie hier.
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In meinem letzten Artikel habe ich auf die bunte Welt der handgemalten Filmplakate hingewiesen, die man in Ōme bestaunen kann:

Ōme City (青梅市)
– Cineasten aufgepasst!

Dass es dort aber weit mehr zu sehen und erleben gibt, hatte ich auch schon angedeutet. Es soll nicht bei Andeutungen bleiben.

Einer der im wahrsten Sinne “Höhepunkte” Ōmes ist der Hausberg der Stadt, der Mitake-san (御岳山 / みたけさん) (929 Meter), der in gewisser Weise immer ein bisschen mit dem Takao-san (高尾山 / たかおさん) konkurriert, weil auch der aus den innerstädtischen Bezirken Tōkyōs bequem zu erreichen ist. Der weiter im Süden gelegene Takao-san darf sich zwar sicher sein, mit mehr als 2 ½ Millionen Besuchern jedes Jahr unschlagbar zu sein, ist dafür aber auch nur 599 Meter hoch. Und während der Takao-san seine Gipfel-Kultstätten u.a. Tengu verdankt (天狗 / てんぐ), einem japanischen Fabelwesen, das (von seinem chinesischen Ursprung her), ein “Himmelhund” war, sich in Japan aber mit dem Shintō “vermischt” und hier menschliche Gestalt mit Krähenschnabel oder langer Nase angenommen hat, trifft man auf dem Mitake-san auf ganz ungewöhnliche Wolfs-Skulpturen.

Man könnte auch sagen: Während der Takao-san ein heiliger Berg des Shingon-Buddhismus ist – man denke nur an die große Klosteranlage des Yakuō-in Yūki-ji (薬王院有喜寺やくおういんゆうきじ), wird der Mitake-san ganz vom Shintō beherrscht – und sozusagen auch gekrönt, denn sein Gipfel wird von dem mächtigen Musashi Mitake Schrein (武蔵御岳神社 / むさしみたけじんじゃ) eingenommen. Dieser soll hier ein bisschen eingehender betrachtet werden.

Die Gipfelregion des Mitake-san ist ganz bequem mit der “Mitake Bergbahn” (御岳登山鉄道 / みたけとざんてつどう) zu erreichen (Details siehe unten). Diese “Mitake Tozan Railway” gehört zur Eisenbahngesellschaft Keiō Dentetsu (京王電鉄 / けいおうでんてつ) und überwindet zwischen der Talstation Takimoto (滝本 / たきもと) und der Bergstation in 831 Metern Höhe auf einer Strecke von etwas mehr als 1 km einen Höhenunterschied von 424 Metern. Angeblich ist die Bahn auch die steilste ihrer Art in Japan.

Natürlich steht der Berg auch dem gewieften Wanderer in seiner vollen Höhe zur Besteigung zur Verfügung. Aber auch die letzten 100 Höhenmeter von der Bergstation zum Musashi Mitake Jinja haben genug zu bieten, um den Ausflug hierher auch ohne ausgedehnte Wanderungen lohnend zu machen. Wer sich selbst moderate Fähigkeiten zum Treppensteigen attestieren kann, wird diese letzten hundert Höhenmeter spielend schaffen.

Mitake-san (御岳山)

Im Gebiet des Mitake-san gibt es mehrere sehenswerte Wasserfälle und einen interessanten “Stein-Garten” – da ich diese nicht besucht habe, muss ich mir an dieser Stelle Details dazu verkneifen.

Pilgerherbergen – Shukubō

Nach der Bergstation der Mitake Tozan Railway führt der gut befestigte Weg zunächst vorbei an einer ganzen Anzahl (37) privater Häuser und Pilgerherbergen. Diese Pilgerherbergen (shukubō / 宿坊 / しゅくぼう) gehören zu dem, was einen Besuch des Mitake-san besonders interessant macht, denn hier kann man nicht nur als Pilger übernachten, sondern auch als “normaler” Wandersmann (und Wandersfrauen natürlich auch).

Mitake-san (御岳山)

Die Häuser bieten verschiedene Ausstattungsstandards, sind in aller Regel mit Badeeinrichtungen versehen und servieren oft auch das übliche “Pilger-Essen” – ganz überwiegend vegetarisch (aber auch mit Fisch) – mit dem, was in der Region angebaut wird. Ein Aufenthalt in einem Shukubō sollte im Zusammenhang mit einem Pilgergang zum Schrein gesehen werden – während im Schrein in einer Shintō-Zeremonie der Geist des Gläubigen von den Unreinheiten des täglichen Lebens gereinigt wird, reinigt der Pilger im Shukubō das Äußere seines Körpers bei einem warmen Wannenbad und das Innere durch natürliche Speisen – zu denen natürlich auch der vorzügliche lokale Sake gehört.

Shintoistische Shukubō gelten auch als Orte der “Rückkehr in das normale Leben” nach einer Pilgerfahrt, weil es hier auch darum geht, sich zu unterhalten und mit anderen fröhlich zu sein (anders als bei buddhistischen Shukubō, die mehr “Dormitorien” und Ort der Lehre sind).

Anhand des Shukubō “Nanzansō” (南山壮 / なんざんそう), wie der Name schon suggeriert, im südlichen Teil unterhalb des Gipfels des Mitake-san gelegen, möchte ich dies ein bisschen illustrieren.

Allgemeine Bereiche des Shukubō “Nanzansō”

Zimmer “Zakuro” (Granatapfel)

Abendessen

Frühstück

Wo Pilgerherbergen sind (und am Mitake-san gibt es mehr als 20 davon), sind religiöse Ort nicht weit – und hier ist es der oben bereits erwähnte Musashi Mitake Jinja. Eine Übernachtung im Shukubō mit einer Pilgerschaft zum Schrein zu verbinden, ist nicht nur eine hübsche Tradition, es ist auch unerhört praktisch, weil man auf diese Weise schon zur frühmorgendlichen Zeremonie auf dem Gipfel des Berges sein kann. Aber natürlich hängt das eine vom anderen nicht ab.

Der Musashi Mitake Jinja

Mitake-san (御岳山)

Den Musashi Mitake Jinja erreicht man vom letzten Torii vor dem Treppenaufgang zum Hauptgebäude des Schreins über angeblich 300 Stufen (ich habe sie nicht nachgezählt) – mehr als 10 Minuten benötigt man hierfür nicht.

Gehen Sie aber nicht achtlos über die Treppe – an drei Stellen sind “oni”  (鬼 / おに) – Dämonen – in die Stufen eingelassen.

Für den Aufstieg wird man mit einem – zumindest bei klarem Wetter – fantastischen Ausblick von der alten Musashi-Region im Osten (dort liegt heute Tōkyō) und Sagami im Süden (mit der weit geschwungenen Pazifikküste) und einer Schreinanlage belohnt, die man in der Großzügigkeit hier oben nicht erwartet hätte. Und an ganz klaren Tagen sind von hier aus auch die Wolkenkratzer Tōkyōs zu sehen.

Musashi Mitake Jinja (武蔵御岳神社)

Der Legende nach wurde der Schrein bereits im ersten vorchristlichen Jahrhundert unter dem Sujin-Tennō (崇神天皇 / すじんてんのう) gegründet. Wahrscheinlicher ist aber, dass die Schreingründung auf das Jahr 735 n.Chr. (in der Mitte der Tenpyō-Zeit / 天平時代 / てんぴょうじだい), als der Shōmu-Tennō (聖武天皇 / しょうむてんのう) regierte, zurückgeht. Nach einem Brand im Jahre 1234 wurde der Schrein wieder aufgebaut und erlebte eine neuerliche Blüte mit dem Beginn der Edo-Zeit (frühes 17. Jahrhundert).
Der ursprünglich Ōmatonotsuno Tenjinsha (大麻止乃豆天神社 / おおまとのつのてんじんしゃ) genannte Schrein wurde in der Meijizeit, als es zu einer strikten Trennung zwischen Buddhismus und Shintōismus kam, zunächst in Mitake Daigongen (御嶽大権現 / みたけだいごんげん) umbenannt und dann in Mitake Jinja (御嶽神社 / みたけじんじゃ), bevor er 1952 seinen heutigen Namen, Musashi Mitake Jinja (武蔵御嶽神社 / むさしみたけじんじゃ) verliehen bekam.

Wie oben schon erwähnt, hebt sich der Musashi Mitake Jinja auch dadurch von anderen Schreinen ab, dass er von “Oinu-sama” (heilige Hunde – d.h. vergöttlichte, japanische Wölfe (ōguchi no magami / 大口真神 / おおぐちのまがみ) bewacht wird. Wolfsstatuen und -Bilder finden sich im Schrein an verschiedenen Stellen. Auch eine Legende des Schreins kündet von dem durchaus hilfreichen Wirken der Wölfe.

Musashi Mitake Jinja (武蔵御岳神社)

Der Musashi Mitake Jinja ist übrigens täglich von 9 Uhr bis 16 Uhr für Gebete und Zeremonien geöffnet.

Musashi Mitake Jinja – Daidai Kagura

Und unerwähnt dürfen natürlich auch die Kagura-Aufführungen im Musashi Mitake Jinja nicht bleiben. Wem der Begriff “Kagura” nichts sagt, findet in Wikipedia folgende kurze Erklärung:

Kagura (神楽 / かぐら) sind Aufführungen uralter Tänze und Musik im Shintō. Die Herkunft der Kagura geht der Legende nach auf Ame no Uzume zurück, die damit die Sonnen-Kami Amaterasu aus ihrer Höhle herausgelockt haben soll. In diesem Sinne ist der Zweck der Kagura die Beruhigung, Besänftigung und Erfreuung der Kami. Sie werden zu verschiedenen festlichen Gelegenheiten dargeboten. Traditionell werden Kagura seit der Muromachi-Zeit an Shintō-Schreinen von Miko, weiblichen Schrein-Bediensteten, aber auch männlichen Tänzern, in speziellen Gebäuden oder offenen Bühnen, den Kagura-den (神楽殿 / かぐらでん) aufgeführt.

Wer meinen Artikel über die furiose Iwami-Kagura-Aufführung in Arifuku Onsen gesehen hat, lernt hier die etwas traditionellere Form des Kagura kennen. Sie kommt mit weniger Effekten aus und versinnbildlicht mehr das der Kagura-Tradition zugrundeliegende Shintō-Zeremoniell. Das hier gepflegte Daidai Kagura (太々神楽 / だいだいかぐら) ist seit den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts als immaterielles Kulturgut der Präfektur Tōkyō anerkannt.

Aufführungen in der Kagura-Halle sind in aller Regel an jedem 4. Sonntag von Juni bis November um 20 Uhr zu sehen. Außerdem finden Aufführungen am 3. Sonntag im Juni und am “Feiertag des Sports” im Oktober (um den 10. Oktober – der Tag erinnert an die Eröffnung der olympischen Sommerspiele von 1964 in Tōkyō) um 11 Uhr statt.

Sehen Sie sich drei Tänze der Priester des Musashi Mitake Jinja genauer an:

Musashi Mitake Jinja – Schatzmuseum

Der prächtige Schrein bietet als Besonderheit in einer großen Pagode am Zugang zum Hauptschrein ein Schatzmuseum (wochenends und feiertags von 9:30 Uhr bis 16 Uhr geöffnet, Eintritt: 500 Yen), in dem u.a. auch alte Rüstungen zu bestaunen sind – ein Zeichen dafür, wie wichtig den Shōgunen der Kamakura-Zeit (1185–1333) und der Edo-Zeit (1603-1868) der Schrein war. Ganz besonders hervorzuheben ist hier ein Nationalschatz: eine Rüstung und das Schwert des 1205 einer Palastintrige zum Opfer gefallenen Oberhaupts des Hatakeyama-Clans, Shigetada Hatakeyama (畠山重忠 / はたけやましげただ).

Musashi Mitake Jinja (武蔵御岳神社)

Musashi Mitake Jinja (武蔵御岳神社)

Wie man nach Ōme kommt:

Aus dem inneren Stadtgebiet Tōkyōs kommt man mit Schnellzügen der JR Chūō-Linie/Ōme-Linie in weniger als einer Stunde von Shinjuku nach Ōme.

Wie man zum Mitake-san kommt:

Natürlich auf dem gleichen Weg, den man auch nach Ōme zurückgelegt hat. Die Bahnen der JR Ōme-Linie, die von Ōme in Richtung Okutama (奥多摩 / おくたま) weiterfahren, brauchen bis zur Bahnstation Mitake (御嶽 / みたけ) (lassen Sie sich von der japanischen Schreibweise nicht verwirren!) gerade mal 18 Minuten (Gesamtreisezeit ab Shinjuku, je nach gewählter Zugart: 1 ½ bis 2 Stunden).

Ein Shuttle-Bus, der 50 Meter links von der Bahnstation Mitake abfährt, bringt die Besucher in einer 10-minütigen Fahrt zwischen 7:30 Uhr morgens bis 18 Uhr abends zweimal stündlich zur Talstation „Takimoto“ der Mitake Tozan Railway.

Wem es mehr nach Wandern ist, kann auch zwei Stationen weiter fahren, nach Kori (古里 / こり). Hier beginnt ein Wanderweg, der in zwei bis zweieinhalb Stunden über den Ōtsukayama (大塚山 / おおつかやま) (920 Meter) zum Mitake-san führt.

Mitake Tozan Railway

Fahrpeise

(Die Webseite der Bergbahn wies zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Artikels noch Preise von 2002 aus – hier sehen Sie die im März 2018 in Rechnung gestellten Preise.)

Einfache Strecke:
Erwachsene: 590 Yen (+100 Yen für den Sessellift ab der Bergstation)
Kinder: 300 Yen (+100 Yen für den Sessellift ab der Bergstation)

Hin- und Rückfahrt:
Erwachsene: 1.110 Yen (+190 Yen für den Sessellift ab der Bergstation)
Kinder: 560 Yen (+190 Yen für den Sessellift ab der Bergstation)

Fahrzeiten

Werktags, sonn- und feiertags von 7:30 Uhr morgens bis 18:30 Uhr zwei bis dreimal pro Stunde (in den Wintermonaten Dezember bis Februar überwiegend zweimal pro Stunde).