Kawasaki Daishi / Heiken-ji (川崎大師 / 平間寺)

Ein Ort grandioser Pilgerschaft – von internationalen Touristenströmen verschont.

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Dass es in Japan nicht unbedingt Bedeutungslosigkeit zu bedeuten hat, wenn ein Ort auf den ausgetretenen Touristenrouten eher selten auftaucht und Herr Baedeker überhaupt nichts zu ihm zu sagen hat, ist dem aufmerksamen Leser von “Ways to Japan” ja bekannt. Wenn man allerdings Ortsnamen wie “Kawasaki” liest, denkt man zunächst wohl eher an “Motorschmieden” und moderne Industrie als an verträumte Pilgerorte. Aber wir befänden uns eben nicht in Japan, wenn es nicht auch hier ein “Sowohl als Auch” gäbe.

Schauen wir uns erst mal die Kerndaten des Ortes an, den es heute kennenzulernen gilt:

  1. Haupt-Anbetungsobjekt: Yakuyoke Kōbō Daishi (厄除弘法大師 / やくよけこうぼうだいし)
  2. Buddhistische Sekte: Chinsan-Schule des Shingon-Buddhismus (真言宗 智山派 / しんごんしゅう ちさんは)
  3. Gründungsjahr: 1128 n.Chr. (Daiji 3)
  4. Offizieller Name: Kongōsan Kinjōin Heikei-ji (金剛山 金乗院 平間寺 / こんごうさん きんじょういん へいけんじ)
  5. Umgangssprachlicher Name: Yakuyoke Kōbō Daishi (厄除弘法大師 / やくよけこうぼうだいし) oder Kawasaki Daishi (川崎大師 / かわさきだいし)
  6. Gründer: Buddhistischer Priester Sonken (尊賢上人 / そんけんしょうにん)
  7. Stifter: Kanenori Hirama (平間兼乗氏 / ひらまかねのり)

Der Kawasaki Daishi gehört mit dem Narita-san Shinshō-ji (成田山新勝寺) in Narita (Chiba-ken) (千葉県成田市) und dem Takao-san Yakuō-in (高尾山薬王院) in Hachiōji (Tōkyō) (東京都八王子市) zu den größten Tempeln der Chisan-Schule des Shingon Buddhismus.

Narita-san Shinshō-ji (成田山新勝寺)
– Unwartete Grandiosität vor den Toren Tōkyōs

Takao-san (高尾山)
– Ein (manchmal) überlaufenes Refugium

Dass der Tempel heute nicht ganz oben auf den Besucherlisten steht, ist einerseits verwunderlich, weil er auf eine fast 900-jährige Geschichte zurückblicken kann. Andererseits mag es wohl auch daran liegen, dass von den ursprünglichen Gebäuden kein einziges mehr erhalten ist (was wiederum die Besucher am Sensō-ji in Asakusa nicht weiter zu stören scheint).

Der Stifter des Tempels, Kanenori Hirama (平間兼乗氏), dessen Lebensdaten unbekannt sind, ein „irrtümlich“ um seine Besitzungen gebrachter Samurai, hatte sich auf seinen Wanderungen durch Japan besonders um die Verehrung des großen Religionsgründers Kōbō Daishi (弘法大師) (774 bis 835) bemüht. Er war inzwischen 42 Jahre alt (obwohl man seine Lebensdaten nicht kennt, scheint ausgerechnet diese Angabe unbestritten zu sein), sinnierte noch immer über sein unglückliches Schicksal und flehte ständig darum, das Böse zu vertreiben.

Wie es bei so vielen Religionsstiftungen, aber auch Tempelgründungen der Fall ist, nahm der Kawasaki Dashi in einem Traum Kanenoris seinen Ursprung (merken Sie sich das mal, wenn Sie wieder einen mirakulösen Traum haben!). Wer die Geschichte z.B. um die Kannon-Statue im Hase Dera (長谷寺) in Kamakura (鎌倉), 30 km weiter südlich an den Gestaden des Pazifiks gelegen, kennt, kommt nicht um ein Déjà-vu herum. Denn auch hier ging es um eine in weiter Ferne geschnitzte Statue – im Fall des Kawasaki Daishi um eine in China von Kōbō Daishis Hand geschnitztes Selbstbildnis –  (merken Sie sich auch das: wahre Selbstverherrlichung klappt nur, wenn man selbst das Schnitzmesser auch ordentlich führen kann!) das ins Meer geworfen wurde – offensichtlich nur zu dem Zweck, dass es in der Bucht von Tōkyō wieder aus dem Wasser gefischt werden sollte. Kōbō Daishi, der Kanenori im Traum davon berichtete, versprach ihm bei der Gelegenheit auch gleich noch die Erlösung von all seinem Unglück, wenn er die Statue finden und ihr Opfergaben in Form von Essen, Weihrauch, Blumen etc. darbringen würde. Also tat Kanenori wie im Traum geheißen, fuhr hinaus auf’s Meer, fand dort eine glitzernde Stelle und als er sein Netz einzog, lag darin die hölzerne Statue des sagenhaften (und von ihm so verehrten) Kōbō Daishi.

Dass der Statue eine ganze Anzahl ungewöhnlicher, wunderwirkender Eigenschaften zugeschrieben werden, versteht sich von selbst (daran würden Sie bei Ihrer eigenen Schnitzarbeit sicher noch etwas arbeiten müssen). Sie wird heute als Hauptheiligtum des Tempels in der Haupthalle (大本堂 / だいほんどう) aufbewahrt. Und die glückverheißende Wirkung der Statue macht den Tempel auch heute noch zu einem der beliebtesten in der Region – zum Neuen Jahr, wenn die Einheimischen ihre traditionellen „ersten Tempelbesuche des Jahres“ absolvieren, zählt der Kawasaki Daishi zwei bis drei Millionen Besucher.

Im Jahre 1128 n.Chr. (dem Jahr Daiji 3, dem 6. Regierungsjahr des Sotoku Tennō (崇徳天皇) begann Kanenori zusammen mit dem buddhistischen Priester Sonken den Bau eines Tempels.
Wirkliches Gewicht erlange der Tempel aber erst 500 Jahre später, als Mitglieder des Tokugawa-Clans (der 250 Jahre lang die Geschicke Japans lenkte) ihn mit ihrem Patronat bedachten.
Die Tempelanlage wurde im Zusammenhang mit der flächendeckenden Zerstörung Kawasakis durch B-29-Bomber im 2. Weltkrieg fast vollständig zerstört. Dabei wurde auch die Bibliothek des Tempels vernichtet, in der die Geschichte (auch die Baugeschichte) des Kawasaki Daishi dokumentiert war. Kein Wunder also, dass sie historischen Ursprünge heute nicht mehr im Detail rekonstruiert werden können. Und, wie gesagt, vielleicht auch ein Grund dafür, dass – der Grandiosität der Anlage zum Trotz – zumindest das internationale Interesse an dem Tempel eher bescheiden ist.

Aber das ist ja nur ein Grund mehr, in eine weniger touristische Atmosphäre eintauchen zu können. D.h. die touristischen Aspekte sind mehr lokaler Natur. Wer bei der Herstellung von Süßwaren zuschauen möchte, ist auf der Pilgerstraße (Nakamise Dōri / 仲見世通り), die auf das Haupttor (大山門 / だいさんもん) des Tempels von Osten nach Westen führt, ebenso gut aufgehoben, wie all diejenigen, die sich nach Glücksbringern und Daruma (達磨 / だるま) in allen Farben und Größen sehnen.

Schauen wir uns wenigstens einige der zahlreichen Gebäudeteile etwas näher an:

Haupthalle (大本堂 / だいほんどう)

Das Bildnis von Kōbō Daishi (Kukai 774-835), dem Begründer des Shingon-Buddhismus, von dem man glaubt, dass es alles Böse abwehrt, befindet sich in der Mitte der Halle. Sie ist das Zentrum der Lehre und der Mittelpunkt der Gebete des Kawasaki Daishi. In der Haupthalle wird täglich eine Goma-Zeremonie (護摩), der Ritus der Verbrennung, durchgeführt, um den Weltfrieden und die Sicherheit der Anhänger zu gewährleisten.

Haupttor (大山門 / だいさんもん)

Das Tor wird, wie sich das gehört von vier himmlischen Königen, den Wächter der vier Himmelsrichtungen, geschützt.

Achteckige, fünfstöckige Pagode (八角五重塔 / はっかくごじゅのとう)

Diese Pagode ist von Stupas in Indien abgeleitet, in denen die Asche Buddhas aufbewahrt wird. Die fünfstöckige Struktur stellt die fünf Grundelemente des buddhistischen Universums dar: Erde, Wasser, Feuer, Wind und Himmel. Die Pagode symbolisiert Dainichi Nyorai, den Buddha, der im esoterischen Shingon-Buddhismus verehrt wird.

Sutrenhalle (経蔵 / きょうぞう)

Die Halle ist verhältnismäßig neu, denn sie wurde erst 2004 zum Gedenken an die Gründung des Tempels eingeweiht. In diesem Sutra-Repositorium werden 7.240 Bände mit Holzdrucken der Qianlong-Version der Daizōkyō (大蔵経) (Daizang-Sutra) aus China aufbewahrt.
Der fünfzackige Stößel vor dem Hauptobjekt der Verehrung, dem Sakyamuni-Buddha, symbolisiert die höchste Position des esoterischen Shingon-Buddhismus, und es wird angenommen, dass er durch die Blattvergoldung eine Verbindung zu Buddha herstellen kann.

Yakushi-Halle (薬師殿 / やくしでん)

Die Halle wurde am 1. November 2008 aus Anlass des 880. Gründungsjahrestages eröffnet. Eine der seltenen, eher indisch anmutenden Tempelbauten Japans. In ihr wird eine Statue von Yakushi Nyorai (薬師如来) verehrt. Wer sich mit Mudra-Positionen ein bisschen auskennt, weiß:

  • Die erhobene rechte Hand, die alles Böse und die Angst vertreiben soll.
  • Medizintopf in der linken Hand, die den Bittsteller heilen soll und ihn dem Schutz der zwölf „göttlichen Generäle“ (die zwölf Erdzweige des chinesischen Zodiak) anvertraut.

Besondere Heilungskräfte sollen von einer kleineren Buddhastatue mit gleicher Mudra-Position ausgehen, die neben der oben abgebildeten Statue steht, wenn man diese sanft an der Stelle berührt, an der der eigene Körper ein Gebrechen hat.

Hier kann man übrigens auch durch Gebete und Segnungen dafür sorgen, dass das eigene Automobil unfallfrei durch die Unbill des Straßenverkehrs kommt (der Glaube daran muss selbstverständlich robust ausgeprägt sein, wenn man danach glaubt, auch auf jeglichen Versicherungsschutz verzichten zu können…).

Öffnungszeiten:

Der Kawasaki Daishi ist das ganze Jahr über geöffnet.
Eintrittsgelder werden keine erhoben.

Wie man hinkommt:

Nehmen Sie die Keikyū-Linie bis zum Bahnhof Keikyū Kawasaki.
Steigen Sie dort in die Keikyū Daishi-Linie um und fahren Sie bis zum Bahnhof Kawasaki-Daishi. Der Tempel ist vom Bahnhof aus in gut 10 Minuten zu Fuß zu erreichen.
Empfehlung: Betreten Sie das Tempelgelände von Osten durch das große Haupttor (wie unten auf in der GoogleMaps-Ansicht vermerkt).

Lassen Sie sich überraschen!

Ganz in der Nähe des Kawasaki Daishi gibt es noch zwei weitere Schmuckstücke zu erkunden – hier können sie peu-a-peu mehr dazu erfahren… Ich verrate nur so viel: Es wird sehr chinesisch!

Kawasaki Shinshū-en (川崎瀋秀園)
– Ein chinesisches Schmuckstück

Und es wird auch noch (ge)mächtig…

Kanayama Jinja (金山神社)
– Ein Ort (ge)mächtiger Umtriebe

3 Responses to Kawasaki Daishi / Heiken-ji (川崎大師 / 平間寺)

  1. […] Kawasaki Daishi (川崎大師) – Große Haupthalle (大本堂) […]

  2. […] einen Ausflug zum Kawasaki Daishi (川崎大師 / かわさきだいし) unternimmt, ist möglicherweise so überwältigt von der […]

  3. […] Kawasaki Daishi / Heiken-ji (川崎大師 / 平間寺) – Ein Ort grandioser Pilgerschaft – von internationalen Touristenströmen verschont. […]

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