Ashigara (足柄) (dt.)

21. February 2016

Kanagawa macht’s schon wieder: Ein Tag voller Kultur & Natur am Fuße des Fuji-san

Eine englische Version dieses Artikels finden Sie hier.
An English version of this posting you can find here.

Mt. Fuji (富士山)

Mt. Fuji (富士山)

Falls Sie bereits den Artikel über meinen Ausflug nach “Manazuru“ kennen, haben Sie schon eine gewisse Vorstellung von dem, was Sie hier erwartet, weil es sich um eine weitere Exkursion handelt, die von der unvergleichlichen Alice Gordenker organisiert wurde. Und falls Sie zu den aufmerksamen Lesern dieser Webseite gehören, sollte der Name in Ihren Ohren (ähm, Augen) einen gewissen Klang haben. Sie war es nämlich auch, die sozusagen hinter den Kulissen gewirkt hat, als ich meine Artikel über das “Toguri Kunstmuseum“, das Projekt “Amputierte Venus” und das “Teien Kunstmuseum“ schrieb. Und Alice Gordenkers eigenen Blog finden Sie natürlich auch in meiner Blogroll.

Wie auch seinerzeit in Manazuru, kam die Tour nach Ashigara durch eine tatkräftige Unterstützung durch die Präfektur Kanagawa zustande, die damit auch versuchen möchte, mehr ausländische Touristen auf ihr Gebiet zu locken. Und man kann nicht anders, als sich dazu bekennen: “Die machen das wirklich gut!”

Startpunkt für den 1-Tages-Ausflug war:
Shin Matsuda (新松田 / しんまつだ) (1) in der Präfektur Kanagawa

Falls Ihnen dieser Kartenausschnitt nicht genug Einzelheiten über die Tagesroute unserer Exkursion vermitteln sollte, werfen Sie doch mal einen Blick auf das untenstehende Bild einer “etwas angereicherten” Karte aus Googlemaps (klicken Sie das Bild zum Vergrößern an) – die in der Karte eingezeichnet Punkte/Nummern finden Sie im Verlauf des Textes wieder – sie bezeichnen die Stationen, die wir eingelegt haben:

Ashigara Excursion Map

Ashigara Übersichtsplan der Exkursion

Sie haben noch nie von Ashigara gehört? Nun, das sollte Sie nicht gleich in die Verzweiflung stürzen, denn, obwohl diese Gegend in Kanagawa auf eine lange und wichtige Historie zurückblicken kann, gehört sie doch nicht zu den Orten Japans, die auf dem Reiseplan von Otto Normaltourist stehen (von Ottilie Normaltouristin ganz zu schweigen). Aber schon an der Tatsache, dass durch Ashigara uralte Landstraßen verlaufen – älter als die berühmte Tōkaidō (東海道 / とうかいどう) – und dass es so nahe bei der alten Burg-Stadt Odawara (小田原 / おだわら) und der noch älteren ehemaligen Hauptstadt Japans, Kamakura (鎌倉 / かまくら) (12. bis 14. Jahrhundert) liegt, kann man ermessen, dass es hier auch heutzutage noch eine Vielzahl an geschichtsträchtigen Orten und Bräuchen gibt.

Und wenn Sie sich ein bisschen in japanischen Legenden auskennen, wird es Ihnen etwas sagen, wenn hier erwähnt wird, dass Kintaro (金太郎 / きんたろう) hier im Jahre 956 n.Chr. geboren wurde. Aber Sie müssen sich auch nicht in Grund und Boden schämen (will sagen: Sie dürfen trotzdem mit mir auf die Reise gehen), wenn Sie davon keine Ahnung hatten.

Discover Another Kanagawa: Ashigara

Discover Another Kanagawa: Ashigara

(2) Monzō Bauernhaus (古民家文蔵 / こみんかもんぞう)

Monzō Farm House (古民家文蔵), Aizome (藍染) Workshop

Monzō Farm House (古民家文蔵), Aizome (藍染) Workshop

Dieses traditionelle, reetgedeckte Bauernhaus (etwa 100 Jahre alt) war das erste Ziel unseres Ausfluges, wo wir auch gleich mit einem ganz besonderen Aspekt japanischer Kultur in Berührung kamen: Aizome (藍染 / あいぞめ) – Indigo-Färberei. Wer hätte je gedacht, dass man innerhalb kürzester Zeit lernen kann, ein Tuch zu färben und sich sein eigenes tenugui (手拭い / てぬぐい) – ein traditionelles japanisches Hand- oder Taschentuch – herzustellen? Ich jedenfalls nicht! Aber die Ergebnisse des knapp einstündigen Workshops konnten sich wirklich sehen lassen – mehr noch: Sie waren regelrecht erstaunlich. Besonders, wenn man bedenkt, dass das alles nur auf ein paar “grünen Blättern” und viel Wasser beruht (falls Sie mir die groteske Simplifizierung erlauben).

Das Monzō-Haus ist auch Heimat einer NRO, die wunderschönen alten Kimono (着物 / きもの) aus der Taishō-Zeit (大正時代 / たいしょうじだい) und der Shōwa-Zeit (昭和時代 / しょうわじだい) ein Zuhause gibt. Einige der hier zu sehenden Stücke sind bereits über 75 Jahre alt. Außerdem kann man hier alte Kimono erwerben und zu anderen Gegenständen des täglichen Gebrauchs umgearbeitete Stoffe von obi (帯 / おび) (Kimonogürtel) und Kimono.

Und während die von unserer Gruppe gefärbten tenugui in der Sonne trockneten…

Monzō Farm House (古民家文蔵), Aizome (藍染) Workshop

Monzō Farm House (古民家文蔵), Aizome (藍染) Workshop

…ging’s auf zum nächsten Ziel in unserem Progamm – dem nur “um die Ecke” liegenden

(3) Seto Yashiki (瀬戸屋敷 / せとやしき)

Seto Yashiki (瀬戸屋敷)

Seto Yashiki (瀬戸屋敷)

Dieses zweite traditionelle Haus war mit seinen 300 Jahren nicht nur deutlich älter als das Monzō-Haus, sondern auch auffallend prächtiger. Kein Wunder, denn es war früher das Haus des Dorfvorstehers, des nanushi (名主 / なぬし). Schon allein dessen reetgedecktes Dach macht einen Unterschied – und einen recht eindrucksvollen noch dazu. Jeder, der schon einmal traditionelle japanische Bauern- und Dorfhäuser besucht hat, weiß um den stillen Charme dieser Gebäude.

In Vorbereitung auf das “Hina Matsuri” (雛祭り / ひなまつり), das Puppen-Festival (am 3. März, dem “Mädchen-Tag”), hatte man das Erdgeschoss des Hauptgebäudes mit großen, stufigen Regalen, die mit rotem Stoff überzogen waren, geschmückt und darauf die dekorativen Puppen, “hina ningyō” (雛人形 / ひなにんぎょう), aufgebaut. Diese Puppen stellen den Kaiser, die Kaiserin, deren Hofstaat samt Dienern und Musikanten in traditionellen Roben aus der Heian Zeit (794–1185) dar. Das Fest als solches hat ursprünglich mal dem Verjagen missliebiger Geister gedient.

Man erzählt sich, dass japanische Mädchen ganz verrückt nach diesen Püppchen und Figürchen sind, obwohl sie absolut nicht zum Spielen da sind und nur auf ihren Podesten “bewundert” werden dürfen.

Und, wie bei jedem anderen, guten, alten Aberglauben, gilt auch für das Aufstellen der Hina-Puppen ein striktes Reglement: Werden diese Puppen nicht direkt nach dem Puppen-Festival wieder weggepackt, droht der Tochter des Hauses eine erst sehr späte Vermählung.

Wie dem auch sei, wir hatten natürlich Glück mit unserem Besuch, denn schon eine Woche später würden die Besucher, die zum Bewundern der prächtigen Arrangements kommen würden, förmlich gewimmelt haben.

Einer der vielen Höhepunkte dieses Tages war allerdings auch eine außergewöhnliche Teeverkostung im kura (蔵/ くら) (Lagerhaus) des Anwesens, wo auch Kreidezeichnungen von lokalen Künstlern ausgestellt wurden.

Der Anbau von Tee in Ashigara ist eine relativ neue Tradition. Als das Land nach dem großen Erdbeben von 1923 brach lag, hoffte man, es durch Teeanbau zu revitalisieren. Heute gehören die Teesorten, die in Ashigara wachsen, zu den besten des Landes.

Und obwohl ich mir eingebildet hatte, schon ein bisschen was von japanischem grünem Tee zu verstehen, sollte diese Teeverkostung zu einem wahren Augenöffner werden. Ein Tee-Somelier des örtlichen Teeverbandes führte uns durch den Prozess dreier verschiedener Arten der Teezubereitung.

1. Aufguss:
Die trockenen Teeblätter wurden in eine Teeschale mit Deckel gegeben. Ein winziger Schluck heißen Wassers wurde in einen kleinen Krug geschüttet und dort auf etwa Körpertemperatur abgekühlt (will sagen: ca. 40°C – ja, ja, ja, ich weiß, dass die Körpertemperatur der meisten Menschen etwas niedriger ist). Diese kleine Menge lauwarmen Wassers wurde um die Teeblätter gegossen, mit dem Deckel abgedeckt und der Tee dann für etwa zwei Minuten ziehen lassen.

Das Ergebnis war ein umwerfend intensives Getränk, das – während man die Teeblätter mit dem Deckel zurückhielt – direkt aus der Teeschale getrunken werden konnte. Es gebricht mir an dem Wortschatz, der notwendig wäre, den Geschmack und das Aroma dieses ersten Aufgusses zu beschreiben – ein leicht süßlicher Geschmack mit diversen Pflanzenaromen. Das japanische Wort “umami” war dasjenige, das diese geschmackliche Sensation am besten wiedergab – ich erkläre das Wort weiter unten.

2. Aufguss:
Diesmal wurde wiederum eine kleine Menge heißen Wassers auf ca. 50°C abgekühlt und dann über die gleichen Teeblätter vom ersten Aufguss gegeben. Nach einer Ziehzeit von etwa einer Minute konnte der neue Aufguss verkostet werden. Dieser vereinigte den überwältigenden Gaumengenuss des ersten Aufgusses mit feinen Aromen, die nun auch sehr stark an “Tee” erinnerten..

Seto Yashiki (瀬戸屋敷), Tea Tasting

Seto Yashiki (瀬戸屋敷), Tea Tasting

3. Aufguss:
Diesmal wurde eine etwas großzügiger bemessene Menge heißen Wasser auf die Teeblätter gegeben und direkt getrunken. Nach dem dritten Aufguss bewahrte der Tee sein besonderes und sehr ausgeprägtes Aroma und seinen Duft. Zusammen mit einer japanischen Süßigkeit (gefüllt mit roten, süßen Bohnen, die aber nicht zu süß waren), war das ein purer Genuss (und japanischer grüner Tee ohne japanische Süßigkeit wäre ja auch gar nicht gegangen…).

Seto Yashiki (瀬戸屋敷), Tea Tasting

Seto Yashiki (瀬戸屋敷), Tea Tasting

Seto Yashiki (瀬戸屋敷), Tea Tasting

Seto Yashiki (瀬戸屋敷), Tea Tasting

Aber wir waren damit noch nicht am Ende einer Reihe von Geschmacksexplosionen gekommen! Nachdem der Tee getrunken und die Süßigkeit gegessen waren, wurde uns geheißen, nun auch noch die Teeblätter aus der Teeschale zu essen. Was zunächst wie ein verschrobener Scherz klang, stellte sich als neuerliche Geschmackssensation heraus. Wenn man die Teeblätter mit einigen Tropfen Sojasoße oder Sojasoße mit Essig überträufelte, ergab sich noch einmal eine ganz neue Geschmacksdimension. Langer Rede kurzer Sinn: Wenn Sie einen hochwertigen grünen Tee genießen, werfen Sie die Teeblätter anschließend nicht weg – sie machen sich immer noch hervorragend als Salat!

Bei der Beschreibung der geschmacklichen Wahrnehmung während des Teeverkostens wurde immer wieder (wie oben schon erwähnt) auf das Wort “umami” (旨味 / うまみ) zurückgegriffen. Im Japanisches stellt dieses einen fünften Grundgeschmack – neben süß, sauer, salzig und bitter – dar. Vor ungefähr hundert Jahren wusste auch noch kein Japaner um dieses “umami”. In den letzten Jahren ist es allerdings regelrecht “modern” geworden (besonders seit japanisches Essen auf der Welt so weitreichende Anerkennung gefunden hat). Übersetzen lässt sich das Wort eigentlich nicht – das Wörterbuch nennt “guter Geschmack”, was aber nur eine gar zu wörtliche Übersetzung des so universell eingesetzten Wortes zu sein scheint. Ich habe keine Ahnung, ob es diese “Geschmackskategorie” tatsächlich gibt, aber wenn es sie gibt, war sie dem verkosteten Tee und seinen Varianten zweifellos zuzuordnen.

Bevor wir den nächsten Punkt auf unserem Tagesplan angingen, wurden wir erst mal mit leckeren, handgemachten “sato-ben (郷弁 / さとべん) – Lunch-Boxen mit jeder Menge Gemüse und anderen regionalen Gaumengenüssen – verwöhnt.

Seto Yashiki (瀬戸屋敷), Sato-ben (郷弁)

Seto Yashiki (瀬戸屋敷), Sato-ben (郷弁)

Seto Yashiki (瀬戸屋敷), Sato-ben (郷弁)

Seto Yashiki (瀬戸屋敷), Sato-ben (郷弁)

(4) Soga no Bairin (曽我梅林 / そがのばいりん)

Der Soga no Bairin (曽我梅林 / そがのばいりん) (Pflaumenhain von Soga) in der Nähe von Odawara (小田原 / おだわら) war nicht nur der perfekte Ort, um noch mehr japanische Kultur einzuatmen, sondern auch, um die ersten Anzeichen eines nahenden Frühlings zu genießen.

Ein weiterer Höhepunkt des Tages war natürlich das “Yabusame” (流鏑馬 / やぶさめ) (Reiter-Bogenschießen). Das Yabusame hier in Soga geht auf eine der drei großen Rache-Legenden Japans zurück, auf das “Soga Monogatari” (曽我物語 / そがものがたり), oder “Die Rache der Soga Bürder”. Die Sage stammt aus einem mittelalterlichen Text, der “Azuma Kagami” (吾妻鏡 oder 東鑑 / あずまかがみ), oder “Der Spiegel des Ostens” genannt wird. Er entstand nach 1266 n.Chr. als eine Chronik der Geschichte des Kamakura Shōgunats. In dieser Geschichte spüren die Brüder Soga Gorō und Soga Jūrō den Mörder ihres Vaters auf und nehmen Rache, indem sie ihn umbringen. Die Handlung dieser Geschichte bildet die Grundlage für alle nur denkbare Erzählformen – sie findet ihre Verwendung z.B. auch im kabuki (歌舞伎 / かぶき) und im bunraku (文楽 / ぶんらく) (japanisches Puppenspiel). Allerdings soll die Sage auf ein tatsächliches historisches Vorkommnis zurückgehen.

Das Reiter-Bogenschießen wird auf einer 240 Meter langen Rennbahn mit drei in regelmäßigem Abstand verteilten Zielscheiben veranstaltet und ist heute mehr ein zeremonielles Ereignis als ein sportliches. Auch wenn es seine Urspünge in den Kampfkünsten hat, wurde es nach dem 2. Weltkrieg auf seine Shintō-Ursprünge “reduziert” und besteht heute zunächst einmal aus einer kunstvollen Zeremonie mit Shintō-Priestern und dem anschließenden rituellen Bogenschießen. Jedermann, dem Shintōzeremonien nicht gerade sein “täglich Brot” sind (und wem wären sie das?) wird sich der ganz besonderen Ausstrahlung, der von den historischen Kostümen und Rüstungen ausgeht, kaum entziehen können. Das Yabusame in Soga wird übrigens im “Takeda-Stil” (武田流 / たけだりゅう) ausgeführt – falls dieses Detail für Sie von Interesse sein sollte.

Schauen Sie sich die Bogenschützen in ihren mittelalterlichen Kostümen, die Rüstungen der Soldaten und die Gewänder der Stallburschen an! Ein Fest für das Auge des Betrachters (und wahrscheinlich hochgradig unbequem zu tragen für die Mitwirkenden).

Ich gebe gern zu, dass es mir nicht gelungen ist, das eigentliche Bogenschießen in wirklich eindrucksvoller Weise einzufangen – aber klicken Sie sich in schneller Abfolge durch die untenstehenden Bilder, um zumindest einen Eindruck vom Bewegungsablauf zu bekommen…

Aber der Soga no Bairin ist ohnehin einen kleinen Umweg wert – auch ohne das Bogenschießen, das nur einmal im Jahr am 11. Februar stattfindet, am “Nationalfeiertag der Staatsgründung” (建国記念の日 / けんこくきねんのひ),  der daran erinnert, dass der erste Kaiser Japans, der Jinmu Tennō (神武天皇 / じんむてんのう) im Jahre 660 v.Chr. den Thron bestieg (wir sind ja alle viel zu jung, um uns noch von persönlichem Erleben an diesen glorreichen Tag erinnern zu können…).

Es würde nämlich wirklich eine langwierige Suche erfordern, falls Sie einen zweiten Ort finden wollten, an dem 35.000 Pflaumenbäume blühen. Der frühe Februar war – zumindest in diesem Jahr – vielleicht noch ein bisschen zu früh, um die Bäume in voller Blüte zu sehen – aber eindrucksvoll war sie auch so. Die Pflaumenblüten sind so zart, so zerbrechlich und ihr Kampf gegen die Kräfte der Natur so viel eindrucksvoller als der der Kirschblüten (etwa 1 1/2 Monate später), dass ich eigentlich dazu tendiere, die Pflaumenblüte viel mehr wertzuschätzen. Ihre demütige Bescheidenheit scheint Japan viel besser zu repräsentieren als die überladene Pracht der Kirschblüte.

An Feiertagen, wie dem 11. Februar, findet man überall im Hain Buden, in denen lokale Spezialitäten (namentlich natürlich solche, die aus den hier wachsenden Pflaumen hergestellt werden) und traditionelle Imbisse angeboten werden.

Und sollten Pflaumenblüten nicht ausreichen, Ihren Bedarf an Herrlichkeit zu befriedigen, schauen Sie einfach nach Westen und lassen Sie sich von einem Blick auf die Erhabenheit des Fuji-san (富士山 / ふじさん) – Japans heiligen Bergs – überwältigen. Er bildete übrigens auch den Hintergrund für das Bogenschießen und die Shintō-Zeremonie.

Yabusame (流鏑馬)

Yabusame (流鏑馬)

Soga no Bairin (曽我梅林), Mt. Fuji (富士山)

Soga no Bairin (曽我梅林), Mt. Fuji (富士山)

(5) Ishii Jōzō (石井醸造 / いしいじょうぞう) in Ōimachi (大井町 / おおいまち)

Was wäre ein Ausflug in die Präfektur Kanagawa (神奈川県 / かながわけん) ohne den Besuch einer Sakebrauerei? Hier, wo das Land von den klaren Quellwassern aus der Bergregion um den Fuji-san verwöhnt wird, werden einige der köstlichsten Sakes dieses Landes gebraut. Und eine davon war die Ishii Sakebrauerei (Ishii Jōzō (石井醸造 / いしいじょうぞう) in Ōimachi (大井町 / おおいまち).

Deren Sake nennt sich völlig zurecht “Stolz von Soga” (Soga no homare / 曽我の譽 / そがのほまれ) – die lokalen Sake-Kenner sprechen in den höchsten Tönen von ihm (bedauerlicherweise ist der Sake außerhalb der Präfektur nicht zu haben). Die Brauerei wird inzwischen von der sechsten Generation der Ishii-Familie betrieben (seit 1870). Das Sakebrauen hat im Winter Hochsaison, da der Prozess nach niedrigen Umgebungstemperaturen verlangt. In der Zeit ist es schon seit jeher Tradition, dass Sake-Arbeiter aus dem Norden, aus der Präfektur Iwate (岩手県 / いわてけん) hierher kommen, um die Sakeherstellung zu unterstützen – nach wie vor ist das Brauen von Sake eine ziemlich arbeitsintensive Angelegenheit – und wir hatten die Chance uns das alles mit eigenen Augen anzusehen (ich bin leider kein Experte im Sakebrauen – werfen Sie also bitte nicht mit Steinen nach mir, sollte die untenstehende Bilderfolge die Schritte, die bei der Sakerherstellung zu gehen sind, nicht akkurat wiedergeben).

Zusätzlich zu den traditionellen Sake-Produkten, stellt man bei Ishii Jōzō auch einen besonders vorzüglichen Pflaumenwein (梅酒 / うめしゅ) her. Anders als die oft auf Shōchū-(gebrannter Schnaps aus Reis oder Süßkartoffeln)–und-viel-Zucker-Basis hergestellen Pflaumenweine, wird hier Sake verwendet, was den Pflaumenwein besonders fruchtig, aber auch in angenehmer Weise “nicht-so-süß” macht. Und natürlich kommen nur die guten Pflaumen aus Soga zur Verarbeitung.

Auch sehr zu empfehlen: die in Sake eingelegten Pflaumen! Auch wenn man kein Freund der in Japan so beliebten sauer eingelegten Pflaumen (umeboshi / 梅干 / うめごし) ist, wird man sich für diese begeistern können.

Unser Besuch in der Sakebrauerei umfasste auch eine überaus unterhaltsame und lehrreiche Sake-Verkostung – schon nach wenigen Schlucken dieser Gaumenkitzler verwandelte sich die ganze Gruppe in einen ziemlich ausgelassenen Haufen. Wenn es eine deutsche Gruppe gewesen wäre, hätte man die Brauerei sicher mit Gesang “erfreut” – “Warum ist es am Rhein so schön?” passt ja überall…

Schauen Sie sich doch mal an, was man uns zur Verkostung geboten hat:

Ginjō Shu (吟醸酒 / ぎんじょうしゅ) (日本酒度+3~+4), 15 bis 16 Vol.% Alkohol

Ishii Jōzō (石井醸造)

Ishii Jōzō (石井醸造)

Shiboritate (Genshu) (絞り立て / しぼりたて) (原酒 / げんしゅ) (日本酒度+4~+6) ein frisch gebrauter, ungefilterter Sake mit wuchtig-fruchtigen und trotzdem trockenen 19 bis 21 Vol.% Alkohol

Ishii Jōzō (石井醸造)

Ishii Jōzō (石井醸造)

Orizake (おり酒 / おりざけ) ein Sake in einem seiner frühen Fertigungsstadien – mit dem Federweißen beim Wein zu vergleichen – immer noch trüb von der Hefe und leicht moussierend

Ishii Jōzō (石井醸造)

Ishii Jōzō (石井醸造)

Umeshu (梅酒 / うめしゅ) (12 bis 13 Vol.% Alkohol), das ist der Pflaumenwein, den ich oben erwähnte

Ishii Jōzō (石井醸造)

Ishii Jōzō (石井醸造)

(6) Shasui no taki (洒水の滝 / しゃすいのたき) in Yamakita (山北町 / やまきたまち)

Nachdem wir uns mit Sake verwöhnt hatten, war ein kleiner Spaziergang genau die richtige “Medizin”, um den Kopf wieder ein bisschen klarer zu bekommen. Der “Shasui no Taki” (洒水の滝 / しゃすいのたき), Shasui-Wasserfall, war ein mit viel Gespür ausgewähltes Ziel dafür – auch wenn der Ort wahrscheinlich im frühen Sommer mit viel Grün und mehr Wasser noch viel atemberaubender aussieht. Da wir gerade aus der Welt des Sake (酒) kamen, lag es nahe, das erste Schriftzeichen des Wasserfalls (洒) damit zu verwechseln – was ein einziger Strich mehr oder weniger bei japanischen Schriftzeichen alles ausmachen kann… Was aber viel wichtiger ist: Der Shasui no Taki gilt als einer der 100 berühmtesten Wasserfälle Japans und ist als solcher auch 1990 vom Umweltministerium gelistet worden (er ist übrigens die Nummer 31 auf dieser Liste), nachdem eine landesweite Abstimmung durchgeführt worden war. Außerdem zählt er noch zu den 50 schönsten Landschaften der Präfektur Kanagawa (veröffentlicht vom Touristenbüro Kanagawas im Jahre 1979).

Beim Shasui no Taki handelt es sich eigentlich um drei Wasserfälle, die über eine Gesamthöhe von 90 Metern die Felswand heruntergestürzt kommen. Der eindrucksvollste der drei Fälle ist der obere mit einer Fallhöhe von 69 Metern – und das ist auch der Teil des Wasserfalls, der von der kleinen roten Brücke aus, bis zu der der Waldweg führt, am besten bewundert werden kann.

Auf dem Weg zum Shasui no Taki kommt man u.a. auch an dem recht sehenswerten Wald-Tempel Saishō-ji (最勝寺 / さいしょうじ) vorbei. Hier gibt es nicht nur eine Schule für japanische Trommeln (taiko / 太鼓 / たいこ), sondern auch eine beachtliche Anzahl an Jizō (地蔵 / じぞう), kleine Statuen von Jizō-bosatsu oder Kṣitigarbha, die an “mizuko” (水子 / みずこ) (Fehlgeburten und abgetriebene Föten) erinnern, bzw. deren Geister beschwichtigen sollen.

Wie man hinkommt:

Der Ausgangspunkt unserer Tour (Shin Matsuda / 新松田 / しんまつだ) ist am leichtesten von Shinjuku (新宿駅 / しんじゅくえき) aus mit den Nahverkehrs- und Expresszügen der Odakyū-Linie (小田急線 / おだきゅうせん) zu erreichen. Wer sich ein bisschen verwöhnen möchte, nimmt einen der “Romancecars” (ロマンスカー) der  Odakyū-Linie – die kosten zwar ein paar hundert Yen mehr, sind dafür aber auch unvergleichlich bequemer.

Fahrtdauer (in Abhängigkeit vom gewählten Zug): 1 Stunde bis 1 1/2 Stunden.
Fahrtkosten (die natürlich auch von der gewählten Zugklasse abhängen): 780 Yen bis 1.470 Yen (Stand: Februar 2016)

Wenn Sie Ihre Tour vom Bahnhof Tōkyō aus beginnen möchten, können Sie auch den Shinkansen (新幹線 / しんかんせん) nach Odawara ( 小田原 / おだわら) nehmen und dort in die Odakyū-Linie (小田急線 / おだきゅうせん) umsteigen (Fahrtrichtung: Shinjuku).

Fahrtdauer: Shinkansen: 35 Minuten / Odakyū-Linie: 8 Minuten
Fahrtkosten: 3,440 Yen (inkl. Shinkansen und Odakyū-Linie) (Stand: Februar 2016)

Ashigara Tour Group

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