Gyoshū Hayami (速水御舟) im Yamatane Kunstmuseum (山種美術館)

13. June 2019

Aus Anlass seines 150. Geburtstages: Die Kunst von Gyoshū Hayami

Es ist inzwischen ja fast schon so etwas wie eine “schöne Tradition”, dass ich an dieser Stelle auf aktuelle Ausstellungen im Yamatane Kunstmuseum (山種美術館 / やまたねびじゅつかん) – einem meiner liebsten Museen – hinweise. Besonders gern mache ich das, wenn die Werke eines Künstlers zur Ausstellung kommen, der wie kaum ein zweiter die Welt der Nihonga (日本画 / にほんが) bereichert und immer wieder neue Wege in dieser Kunstrichtung beschritten hat: Gyoshū Hayami (速水御舟 / はやみぎょしゅう).

Für eine eingehendere Einführung in die Welt der Nihonga schauen Sie sich bitte auch folgende Artikel an, in denen auch immer wieder Werke von Gyoshū Hayami auftauchen:

Yamatane Kunstmuseum (山種美術館)
– Meisterwerke beweisen die Fortführung einer alten japanischen Tradition
(Dieser Artikel enthält auch weitere Details zur Person des Gyoshū Hayami.)

Schöne Frauen im Yamatane Kunstmuseum (山種美術館)
– Shōen Uemura und auserlesene “Bijinga” – Gemälde schöner Frauen

Hinweis: Neue Ausstellung im Yamatane Kunstmuseum (山種美術館)
– Eine Welt voller Blumen – von der Rimpa-Schule zu zeitgenössischer Kunst

Hinweis: Themen-Ausstellung im Yamatane Kunstmuseum (山種美術館)
– Zum 150. Jubiläum von Taikan Yokoyama ― Die Elite der Künstlerwelt Tōkyōs

Yamatane Kunstmuseum – Wasserdarstellungen (山種美術館 – 水を描く)
– Entfliehen Sie der Sommerhitze – eine wahrlich “coole” Ausstellung

Nihonga-Pioniere im Yamatane Kunstmuseum (山種美術館)
– Eine Sonderausstellung zum 10. Jubiläum des neuen Museumsgebäudes

Mit der aktuellen Ausstellung, die vom 8. Juni bis 4. August 2019 zu sehen ist, wird ein umfassender Überblick über das breite Spektrum des Schaffens von Gyoshū Hayami gegeben. Dass das Yamatane Kunstmuseum eine der größten Sammlungen des Meisters sein Eigen nennen darf, muss vielleicht erklärt werden:

Der Gründer des Museums, Taneji Yamazaki (1893-1983) war gerade mal ein Jahr älter als Gyoshū Hayami, hatte ein ganz besonderes Faible für die Bilder des Meisters, hatte aber in der vergleichsweise kurzen Lebensspanne Hayamis nie die Gelegenheit gehabt, ihn persönlich kennenzulernen. Wann immer sich die Gelegenheit geboten hatte, Bilder von Hayami zu erwerben, hatte er dies getan, um damit z.B. die Schmuckecke (tokonoma / 床の間) im Wohnraum seines Hauses zu schmücken. Im Laufe der Jahre waren so immerhin 15 Werke Hayamis in den Besitz von Taneji Yamazaki gekommen.

Gyoshū Hayami war bereits im zarten Alter von 24 Jahren “senior member” der Japan Art Instituts geworden und wurde von Hihonga-Titanen wie Taikan Yokoyama und Kokei Kobayashi hoch geachtet. Hayami war u.a. dafür bekannt, dass er sich keinem festgefahrenen Stil verpflichtet fühlte und immer wieder neue Felder der Malkunst beschritt. Auf diese Weise hat er der japanischen Malerei neue Impulse gegeben. Während seines kurzen Lebens (2. August 1894 bis 20. März 1935) schuf er ungefähr 700 Bilder – die meisten davon befanden sich in den Händen privater Sammler, waren der Öffentlichkeit also selten zugänglich. Deswegen wurde Hayami auch als “Phantom-Maler” bekannt.

1976 wurde Taneji Yamazaki angeboten, 105 Bilder Hayamis aus der Sammlung der inzwischen insolvent gewordenen Firma Ataka & Co. zu übernehmen. Das muss ein Angebot gewesen sein, das er nicht hatte ausschlagen können. Und somit erhöhte sich die Gesamtzahl der Werke des Meisters in seinem Besitz auf 120. Kein Wunder, dass das Yamatane Kunstmuseum (inoffiziell) auch “Gyoshū-Museum” genannt wird. Zu dieser Sammlung gehören auch die beiden “Wichtigen Kulturgüter Japans” (重要文化財) “Flammentanz / Tanz in den Flammen”(炎舞 / えんぶ) und “Verstreute Kamelienblütenblätter” (名樹散椿).

Übrigens: Lassen Sie sich von meiner unorthoxen Namensschreibung nicht verwirren. Ich schreibe hier (wie auch in anderen Artikel) die Namen im Deutschen in der Reihenfolge “Vorname – Nachname” und spreche vom Künstler mit seinem Familiennamen.

Schauen Sie sich die derzeitige Ausstellung anhand einiger Beispiele bei einem Rundgang durch die Abteilungen an. Wie zu jeder Ausstellung im Yamatane Kunstmuseum gehört auch zu dieser Ausstellung eine “Kollektion” von Konfekten, die von den Kunstwerken der Ausstellung inspiriert wurden. Auf diese können Sie sich hier auch schon mal Appetit holen:

Abschnitt 1:
Der Anfang – Aus der Malschule

#5
Mt. Fuji (kleines, vorbereitendes Gemälde)
Tinte und helle Farben auf Papier, Taishō-Zeit (1916)

Abschnitt 2:
Bewältigung der Klassiker

#8
Pfirsich-Blüten
Farbe auf goldblattiertem Papier, Taishō-Zeit (1923)

Hayami ist bekannt für den Realismus seiner Bilder. Und obwohl er die für Nihonga typischen Pigment-Farben benutzte, versuchte er doch immer wieder, seinen Bildern die Anmutung von Ölgemälden zu geben. Hier hat er sich obendrein noch von der Kunstakademie der Sung-Dynastie inspirieren lassen, deren Grundlage die extake Beobachtung und Wiedergabe der Natur bildete.

#9
Nach dem großen Kantō-Erdbeben
Farbe auf Papier, Taishō-Zeit (1923)

Hayami besuchte, zusammen mit seinem Schwager, die “Japan Art Institut Exhibition”, als das große Kantō-Erdbeben die Stadt erschütterte. Er war von der Naturkatastrophe so mitgenommen, dass er für lange Zeit nicht davon ablassen konnte, die schrecklichen Szenen nach dem Beben zu malen und zu skizzieren. Von einem seiner Schüler weiß man, dass er sein Lieblingspigment, Karminrot, vorzugsweise für Berge und Schutt verwendete. Dieses Gemälde ist zu Lebzeiten Hayamis nie öffentlich gezeigt worden, sondern verblieb bis nach seinem Tod unentdeckt in seinem Atellier.

#10
Persimonen/Kaki
Farbe auf Papier, Taishō-Zeit (1923)

#11
Mittag im Frühling
Farbe auf Seide, Taishō-Zeit (1924)

Auf diesem Bild hat Hayami ein Bauernhaus in der Präfektur Saitama wiedergegeben, in dem er von 1923 bis 1924 gelebt hatte. Ursprünglich hatten die Tauben auf dem Dach des Hauses namensgebend für das Bild sein sollen.
Als er dieses Bild auf der “Japan Art Exhibition” zeigte, würde es für seine Akkuratesse und das handwerkliche Können belobigt. Besonders seine Darstellung von Schatten (unter dem Dach und im Eingang des Hauses) war ungewöhnlich für Nihonga.

#12
Neuntöter-Nest
Farbe auf Papier, Taishō-Zeit (1925)

#13
Flammentanz / Tanz in den Flammen
Farbe auf Seide, Taishō-Zeit (1925)

Dieses Bild gilt nicht umsonst als einer der Höhepunkte im Schaffen Hayamis – und nicht umsonst ist es immer wieder “Titelbild” der Ausstellungen des Yamatane Kunstmuseums.
Hayami hatte den Sommer des Jahres 1925 in Karuizawa verbracht. Dort hat er fast an jedem Abend ein Feuer entfacht und die Motten beobachtet, die den Feuerschein umtanzten. Ungewöhnlich ist die “Lebendigkeit” der Darstellung, die durch ein Spiel mit Schärfe und Unschärfe erreicht wird.
Die Darstellung des Feuers hingegen orientiert sich an klassischer buddhistischer Malerei. Die dunklen Farben, die Hayami für den Hintergrund verwendete, sind das Ergebnis seiner Experimentierfreude. Er selbst hat behauptet, dass er nicht in der Lage sei, dieses Bild kein zweites Mal zu malen, weil er diese Farben nicht erneut herstellen könne.

Und ein Konfekt, inspiriert von diesem Meisterwerk, wird während der Ausstellung auch im Café des Museums feilgeboten.

#14
Insekten-Leben – Spinnennetz unter dem Laub
Farbe auf Seide, Taishō-Zeit (1926)

#17
Senjogahara, Nikkō (Skizze)
Tinte und helle Farben auf Papier, Taishō-Zeit (1926)

#21
Feigen
Farbe auf Papier, Taishō-Zeit (1926)

#23
Smaragdgrünes Moos und saftig-grüner Rasen
Farbe auf goldblattiertem Papier, Shōwa-Zeit (1928)

In diese grandiosen Wandschirm-Malereien hat Hayami Elemente des Malstils der Rimpa-Schule einfließen lassen – kräftige Farben und simplifizierte Formen. Seine Könnerschaft im Umgang mit den Nihonga-Pigmentfarben und -Materialien wird hier aufs Meisterlichste dokumentiert.

#26
Kirschblüten im Dunkeln
Farbe auf Seide, Shōwa-Zeit (1928)

#27
Kirschbaum in Gion, Kyōto (Skizze)
Zeichenstift und helle Farben auf Papier, Shōwa-Zeit (1929)

#35
Kirschbäume am Dōjō-ji (Skizze 1)
Helle Farben auf Papier, Shōwa-Zeit (1929)

#40
Grüne Pflaumen
Farbe auf goldgrundiertem Papier, Shōwa-Zeit (1929)

#42
Rote Pflaumenblüten und weiße Pflaumenblüten
Farbe auf Seide, Shōwa-Zeit (1929)

Abschnitt 3:
Zehnmonatige Reise nach Europa &
Experimente mit dem Malen menschlicher Figuren

#50
Chinesisch Oper (Skizzen)
Zeichenstift und helle Farben auf Papier, Shōwa-Zeit (1930)

#68
Ruinen bei Odeon
Farbe auf Papier, Shōwa-Zeit (1931)

#72
Weiblicher Akt (Zeichnung 1)
Conte auf Papier, Shōwa-Zeit (1933)

Hayami war sich dessen bewusst, dass die meisten Nihonga-Maler sich mit Zeichnungen und Skizzen menschlicher Körper schwer taten. Das lag u.a. auch daran, dass es zu jener Zeit schwierig war, Modelle zu finden, die sich nackt zeichnen ließen.

#73
Weiblicher Akt (Zeichnung 2)
Conte auf Papier, Shōwa-Zeit (1933)

#74
Weiblicher Akt (Zeichnung 3)
Conte auf Papier, Shōwa-Zeit (1933)

Abschnitt 4:
Das Anvisieren neuer Höhepunkte

#85
Chrysanthemen
Farbe auf Seide, Shōwa-Zeit (1931)

Die Chrysanthemen dieses Bildes waren Pate bei der Kreation dieses Konfekts:

#89
Frühling breitet sich aus
Farbe auf Papier, Shōwa-Zeit (1933)

#90
Duft der Nacht
Farbe auf Papier, Shōwa-Zeit (1933)

#91
Camelien
Farbe auf Papier, Shōwa-Zeit (1933)

#94
Ballonblumen
Tinte und Farbe auf Papier, Shōwa-Zeit (1934)

#95
Pfingstrosen
Farbe auf Seide, Shōwa-Zeit (1934)

Und gleich auch noch das passende Konfekt zum Bild:

#96
Schwarze Pfingstrosen
Tinte und Farbe auf Papier, Shōwa-Zeit (1934)

Nach seiner Rückkehr aus Europa schuf Hayami Meisterwerke der “Vogel & Blume”-Malerei. Dabei entstanden auch solche Werke, wie dieses, die mit schwarzer Tinte (墨 / すみ) ausgeführt wurden.

#97
Auberginen im Herbst
Tinte und Farbe auf Papier, Shōwa-Zeit (1934)

#98
Weißer Hibiskus
Tinte und Farbe auf Papier, Shōwa-Zeit (1934)

Auch dieses Gemälde stand Pate für eine Konfekt-Kreation:

#99
Pfingstrosen (Skizze 1)
Zeichenstift und helle Farben auf Papier, Shōwa-Zeit (1934)

Trotz seiner Meisterschaft war Hayami oft unzufrieden mit seinen eigenen Werken. “Meine Werke haben ihre Prinzipien verloren!” oder “Meine Bilder werden viel zu schnell fertig – das ist ein Problem”, hörte man ihn lamentieren. Seiner Frau gestand er: “Es ist so einfach, Bilder zu malen, die von den Leuten gelobt werden. Aber ich werde ab jetzt keine Bilder mehr malen, die sich verkaufen lassen – bereite Dich schon mal darauf vor!”

#100
Pfingstrosen (Skizze 2)
Zeichenstift und helle Farben auf Papier, Shōwa-Zeit (1934)

#111
Mohnblumen (Skizze 1)
Zeichenstift, Buntstift und helle Farben auf Papier, Shōwa-Zeit (1934)

#113
Mohnblumen (Skizze 3)
Zeichenstift, Buntstift und helle Farben auf Papier, Shōwa-Zeit (1934)

Leider ist Gyoshū Hayami viel zu früh gestorben, um den Plan, sich für eine Weile auf die Halbinsel Izu zurückzuziehen, um sich ganz auf seine Arbeit zu konzentrieren, umsetzen zu können. Man kann nur spekulieren, welche neuen Wege er von dort aus gegangen wäre.

Hier sehen wir auf einem Jugendbild aus dem Jahre 1911 Gyoshū Hayami (links) mit seinen Schulkameraden Keison Ushida und Seiju Omoda von der Andagō Malschule.

Zum Abschluss noch ein paar Blicke in die modernen Ausstellungsräume des Yamatane Kunstmuseums:

Eintrittsgebühr:

Reguläre Ausstellungen:
Erwachsene: 1.000 Yen (800 Yen pro Person für Gruppen von 20 oder mehr Besuchern)
Oberschüler und Studenten: 800 Yen (700 Yen pro Person für Gruppen von 20 oder mehr Besuchern)
Mittelschüler und Jüngere: Eintritt frei
Inhaber von Behindertenausweisen und je eine Begleitperson: Eintritt frei

Diese Ausstellung:
Erwachsene: 1.200 Yen (1.000 Yen pro Person für Gruppen von 20 oder mehr Besuchern)
Oberschüler und Studenten: 900 Yen (800 Yen pro Person für Gruppen von 20 oder mehr Besuchern)
Mittelschüler und Jüngere: Eintritt frei
Inhaber von Behindertenausweisen und je eine Begleitperson: Eintritt frei

Wollen Sie dieselbe Ausstellung ein zweites Mal besuchen, bringen Sie bitte Ihr (reguläres) Ticket vom vorangegangenen Besuch mit. Mit Vorlage dieses Tickets erhalten Sie einen “Wiederholer-Rabatt”.

Wie man hinkommt:

Nehmen Sie die Bahnen von Japan Rail (JR) oder der Tōkyō Metro Hibiya-Linie nach Ebisu (恵比寿 / えびす) und halten Sie sich von dort in östlicher Richtung, um zur Meiji Dōri (明治通り / めいじどおり) zu gelangen. Überqueren Sie die Meiji Dōri in nordöstlicher Richtung und folgen Sie der rechten Straßenseite einige hundert Meter (sie kommen dabei am “Ebisu Prime Square” und dem eindrucksvollen Gebäude der “Papas Company” vorbei).