Japanisches Porzellan vom Feinsten
Die Toguri-Sammlungen: Die Original-Ausstellung
(戸栗コレクション1984・1985-revival-展)
Eine englische Version dieses Artikels finden Sie hier.
An English version of this posting you can find here.
Wenn Sie zu den aufmerksamen Lesern dieser Webseite gehören, erinnern Sie sich wahrscheinlich an die mannigfaltigen Artikel über die Ausstellungen feinen Porzellans im Toguri Kunstmuseum (戸栗美術館 / とぐりびじゅつかん). Und falls Sie Ihr Erinnerungsvermögen auffrischen oder ganz einfach mehr darüber lernen möchten, schauen Sie doch einfach mal in die vorangegangenen Artikel:
Toguri Kunstmuseum (戸栗美術館) (Teil 1)
Japanisches Porzellan vom Feinsten – Imari Ware
Der Ko-Kutani-Stil (古九谷展)
Toguri Kunstmuseum (戸栗美術館) (Teil 2)
Japanisches Porzellan vom Feinsten – Imari Ware
Meisterstücke des Kakiemon- und Kinrande-Stils
(柿右衛門・古伊万里金襴手展)
Toguri Kunstmuseum (戸栗美術館) (Teil 3)
Japanisches Porzellan vom Feinsten
Meisterstücke des Nabeshima Porzellans
(鍋島焼展)
Toguri Kunstmuseum (戸栗美術館) (Teil 4)
Japanisches Porzellan vom Feinsten
Imari Ware – Die Pracht von Sometsuke
(古伊万里 – 染付の美展)
Wieder einmal hatte ich, dank Herrn Toguris (des Direktors des Museums) freundlicher Genehmigung, die Gelegenheit, einen Teil einer laufenden Ausstellung zu fotografieren, als die unvergleichliche Alice Gordenker eine ihrer nicht nur unterhaltsamen, sondern auch sehr lehrreichen Touren durch das Museum anbot (sie hat übrigens auch große Teile zum englischsprachigen Ursprungstext dieses Artikels beigetragen – und obwohl ich weiß, dass sie keinen Wert auf die lobende Erwähnung legt, soll dies schon der Ehrlichkeit wegen nicht verschwiegen werden).
Bei der diesmaligen Ausstellung geht es ganz um die Neuinszenierung der ersten Ausstellung von Herrn Toguri (des Vaters des derzeitigen Direktors), die dieser in den Jahren 1984/1985 zusammengestellt hatte – noch bevor das heutige Gebäude des Toguri Kunstmuseums überhaupt errichtet worden war (Sie erinnern sich vielleicht: Dieses Haus wurde erst 1987 eröffnet). Da Herr Toguri aber schon seit über 20 Jahren die großartigsten Beispiele alter japanischer Porzellankunst gesammelt hatte, war es an der Zeit gewesen, diese auch einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Er fand in den Räumlichkeiten des kommunalen Shōtō Kunstmuseums (松濤美術館 / しょうとうびじゅつかん) des Stadtteils Shibuya den passenden Raum und Rahmen für seine Schätze.
Seine erste Ausstellung trug den Namen “Arita Ware from the Toguri Collection: Imari, Kakiemon, Nabeshima” und wurde dafür belobigt, dass ihre 108 Exponate sowohl die Internationalisierung, als auch die Vielfältigkeit früher japanischer Porzellanproduktion veranschaulichte. Und genau diese 108 Ausstellungsstücke werden derzeit wieder präsentiert. Wollen wir uns diese Schätze gemeinsam ansehen? Klicken Sie einfach auf die unten stehenden Miniaturen, um sie zu vergrößern und noch mehr Details bewundern zu können!
Treppe zu den Ausstellungsräumen
Imari Porzellan (Mitte des 17. Jahrhunderts)
Schale mit blattförmigem Rand, dekoriert mit einem Tiger- und Bambus-Design in Unterglasur-Blau
Sollte Ihnen dieser Tiger irgendwie bekannt vorkommen, muss Sie das nicht wundern. Der Tiger dieser Schale dient auch als offizielles Logo des Toguri Kunstmuseums.
AUSSTELLUNGSRAUM 1
#1
Imari Porzellan (Mitte des 17. Jahrhunderts)
Flasche, verziert mit einem Felsen- und Pfingstrosen-Design in Überglasur-Email
Diese außergewöhnlich wertvolle Flasche ist völlig zu Recht das erste Schaustück dieser Ausstellung – sie war es auch, die das Deckblatt des Original-Ausstellungskatalogs von 1984 zieren durfte. Mit einer Höhe von 47 cm gehört sie zu den größten Flaschen, die in der Mitte des 17. Jahrhunderts hergestellt wurden. Sie ist übrigens aus zwei Teilen gefertigt – einem oberen Teil und einem unteren, die zusammengefügt wurden (Sie können sicher die Zusammensetzung erkennen, die ich auf einem der unten stehenden Fotos markiert habe). Diese Technik nennt man “dōtsugi” (胴継ぎ / どうつぎ). Mit all ihrer Pracht und den reichhaltigen Verzierungen stellt sie ein typisches Beispiel von Porzellan, das für den Export hergestellt wurde, dar.
#6
Imari Porzellan (frühes 17. Jahrhundert)
Schale mit flachem Rand, dekoriert mit einer Landschaft mit Pavillon in Unterglasur-Blau
Hier haben wir ein sehr schönes Beispiel für “shoki imari“ (初期伊万里 / しょきいまり) – aus den frühen Tagen japanischer Porzellanherstellung. Die Basis/der Fuß (高大 / こうだい) dieser Schale ist auffallend klein – ein Hinweis darauf, dass die Porzellanproduktion noch immer in den Kinderschuhen steckte. Hätte man die Basis weiter gemacht, hätte die Gefahr bestanden, dass der mittlere Teil der Schale eingesunken und somit die Form ruiniert worden wäre.
Sie können feine Risse in der Glasur erkennen, die obendrein einen bläulichen Schimmer aufweist. Außerdem sind noch immer viele Mängel im Grundmaterial und sogar Fingerabdrücke des Porzellanmeisters auf der Rückseite zu erkennen.
#7
Imari Porzellan (frühes 17. Jahrhundert)
Schale, verziert mit einer Landschaft in Unterglasur-Blau
Ein weiteres Beispiel für “shoki imari“. Die bräunlichen Flecke auf der Oberfläche sind übrigens keine Zeichen von Abnutzung oder Verschmutzung. Sie sind schlicht und ergreifend Zeugnisse dafür, dass das Ausgangsmaterial für die Porzellanherstellung in diesen frühen Jahren noch mit Mängeln behaftet war (in diesem Fall waren es Rückstände von Eisen), die sich während des Brennvorgangs in braune Flecken verwandelt haben. Für viele Sammler machen aber gerade diese Imperfektionen den Charme von frühem Imari Porzellan aus. Oder, wie Herr Toguri meinte: “Der Anfang ist immer am wichtigsten!” Und weil Schalen wie diese den Beginn japanischer Porzellanproduktion dokumentieren, sammelte er seinerzeit auch besonders viele davon.
Im frühen 17. Jahrhundert waren Teller wie dieser absolute Luxusobjekte, die sich nur die oberen 10.000 leisten konnten.
#9
Imari Porzellan (frühes 17. Jahrhundert)
Teller mit flachem Rand, verziert mit einer Wolke, einem Hasen und den Schriftzeichen “春白兎” (weißer Hase im Frühling) aus aufgesprühtem Blau und Weiß
Das Design dieses Tellers wurde mit der so genannten “fukizumi“-(吹墨 / ふきずみ)-Technik ausgeführt, bei der Schablonen zum Einsatz kommen (in diesem Falle eine Schablone für den Hasen, eine für die Wolke und eine für das Banner). Um diese Schablonen wird “gosu“ (呉須 / ごず) (Kobaltblau) gesprüht – eine Technik, die bei frühem Imari Porzellan oft zum Einsatz kam.
#14
Imari Porzellan (Mitte des 17. Jahrhunderts)
Schale, dekoriert mit geometrischen Mustern und miteinander verbundenen Kreisen in Unterglasur-Blau
Gegen Mitte des 17. Jahrhundert wurden die Muster immer aufwändiger und feiner. Außerdem wurden die Werkstücke immer dünner und leichter. Und dafür gibt es einen historischen Grund: Politische Unruhen in China hatten die dortige Porzellanproduktion schwer in Mitleidenschaft gezogen. In den 1640er Jahren gab es politische Probleme, 1644 fiel die Ming Dynastie. Die großen Brennöfen von Jingdezhen zum Beispiel waren nicht mehr in der Lage, weiter zu produzieren. Die Umwälzungen waren der Auslöser für zwei große Veränderungen in der japanischen Porzellanherstellung:
Zum einen flohen viele chinesische Porzellanarbeiter aus China und übersiedelten nach Japan, wo sie ihr Handwerk unter friedlicheren Bedingungen fortsetzen konnten. Sie brachten natürlich auch bisher nur Chinesen bekannte Technologien und Fachwissen mit.
Und zum anderen waren die Holländer (seinerzeit die größten Porzellanimporteure Europas) nicht mehr in der Lage, ihren Porzellanbedarf in China zu decken und wendeten sich an die Japaner als alternative Lieferanten. Die erste dokumentierte Schiffsladung Porzellan aus Japan für Europa, die von den Holländern ausgeführt wurde, wurde 1659 an Bord genommen und beweist, dass hier nicht gekleckert, sondern geklotzt wurde: Sie bestand aus 50.000 Teilen!
#17
Imari Porzellan (Mitte des 17. Jahrhunderts)
Schale in der Form einer Kalebasse, dekoriert mit einem Landschafts-Design in Unterglasur-Blau
#19
Imari Porzellan (Mitte des 17. Jahrhunderts)
Teller mit blattförmigem Rand, dekoriert mit einem Tiger- und Bambus-Design in Unterglasur-Blau
Diese interessante Form wurde geschaffen, indem das Basismaterial zunächst auf einer Drehscheibe ausgewalzt und dann auf eine Form gepresst wurde. Der wunderschöne Rand des Tellers ist mit einem bräunlichen Lack versehen, der sich “fuchisabi“ (縁銹 / ふちさび) nennt. Der weite Fuß des Werkstücks zeigt außerdem eindrucksvoll, welch sprunghafte Weiterentwicklung die japanische Porzellanfertigung in recht kurzer Zeit durchgemacht hat.
#32
Imari Porzellan (spätes 18. – frühes 19. Jahrhundert)
Eckige Flasche, verziert mit “europäischen Figuren” in Unterglasur-Blau
Schauen Sie sich die “europäischen Figuren” an den Seiten der Flasche einmal genauer an! Diese sollen eigentlich “holländisch” aussehen. Aber schon die Kopfbedeckungen machen mehr den Eindruck portugiesischer Mode des späten 18. Jahrhunderts. Die Kleidung sieht eher chinesisch als europäisch aus. Und barfuß laufende Europäer? Es ist anzunehmen, dass die Künstler nie in ihrem Leben einen Europäer zu Gesicht bekommen haben (man darf nicht vergessen: Japan war damals schon lange Zeit abgeschottet; ausländische Besucher hatten keinen Zutritt – sogar die holländischen Händler von Dejima hatten keine Möglichkeit, selbst auf “Einkaufstour” im Lande zu gehen).
#40
Imari Porzellan (zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts)
Flasche, dekoriert mit Pfingstrosen und Vögeln in Unterglasur-Blau
Diese Art großer Flaschen mit weitem Körper, die für den Export hergestellt wurde, nennt man manchmal auch “Gallipot” (was auf ihre Verwendung für die Aufbewahrung und den Transport von Medizin und Salben hinweist). Diese weist einen doppelten Rand am Flaschenhals auf, was wiederum darauf schließen lässt, dass hier ein Verschluss angebracht war. Der Hals der Flasche ist mit einem Schwertspitzen-Design versehen, während der restliche Körper mit Vögeln und großen Pfingstrosenblüten verziert ist. Im Fuß der Flasche befindet sich eine “I.C.”-Markierung, die wohl auf die Person hinweist, für die sie hergestellt wurde. Es ist möglich, dass dies die Initialen von Johannes Camphuijs sind (zu dieser Zeit neigten gebildete Personen dazu, ihre Namen zu latinisieren – und da es im lateinischen Alphabet kein “J” gibt, würde Camphuijs “I” verwendet haben), der zwischen 1671 und 1676 dreimal als “opperhoofd” oder “Chefunterhändler und Beamter” auf dem holländischen Handelsstützpunkt auf der Insel Dejima in Nagasaki stationiert war. Später diente Camphuijs auch noch als Generalgouverneur (sōtoku / 総督 / そうとく) der Niederländischen Ostindien-Company von 1684 bis 1691. In seiner Zeit in Japan entwickelte er ein großes Faible für alles Japanische und setzte seinen “japanischen Lebensstil” auch dann noch fort, als er Japan wieder verlassen hatte.
AUSSTELLUNGSRAUM 2
#44
Imari Porzellan (zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts)
Flasche mit kantiger Flanke, dekoriert mit einem Pfingstrosen-Design in Überglasur-Email
Dieses und die nächsten beiden Exponate zeigen Formen und Designs, wie sie für den Export hergestellt wurden. Die Form dieser Flaschen ist besonders interessant, da sie einem auf dem Kopf (bzw. dem Griff) stehenden “chasen” (茶筅 / ちゃせん), einem Schneebesen aus Bambus ähnlich ist, der für die zeremonielle Zubereitung von grünem Pulvertee benutzt wird. Obwohl Flaschen wie diese hauptsächlich für den Export hergestellt wurden, befand sich die obige im Besitz des Fürsten Maeda von Kaga, was zeigt, dass diese Formen auch im Inland geschätzt wurden.
#45
Imari Porzellan (zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts)
Flasche, dekoriert mit Glyzinien in Überglasur-Email
#46
Imari Porzellan (zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts)
Flasche mit kantiger Flanke, verziert mit einer Landschaft mit Pavillon in Unterglasur-Blau
#50
Imari Porzellan (zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts)
Topf, dekoriert mit einem Landschaft- und Phönix-Design in Unterglasur-Blau
Leider war ich nicht in der Lage, bis auf den Boden dieses großen Topfes nach unten zu fotografieren, wo dieser besonders reizvoll mit einem Phönix mit langen Schwanzfedern und Schmetterlingen dekoriert ist. Es ist ziemlich wahrscheinlich, dass dieser Krug dafür gedacht war, ihn mit Wasser zu füllen – um z. B. darin Goldfische zu halten. Die Gestaltung der Innenseite ist mit besonderer Behutsamkeit vorgenommen worden, um den Eindruck zu erwecken, der Phönix und die Schmetterlinge schwebten im Wasser. Die Holländer importierten solche Gefäße allerdings auch, um in ihnen Speisen und Getränke zu kühlen.
#51
Imari Porzellan (zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts)
Krug, verziert mit Chrysanthemen und Pflaumen in Unterglasur-Blau
Der interessanteste Teil dieses Krugs befindet sich – abgewandt vom Betrachter – auf dessen Rückseite: Ein großes Loch in der Nähe des Bodens, das nachträglich wieder versiegelt wurde. An dieser Stelle muss sich irgendwann ein Zapfhahn befunden haben (der höchstwahrscheinlich in Europa angebracht worden ist – solche “Anbauten” wurden in Japan nicht vorgenommen).
#55
Imari Porzellan (spätes 17. – frühes 18. Jahrhundert)
Schale mit Pfingstrosen-Design in Unterglasur-Blau
Diese Schüssel in der Form einer Barbier-Schale wurde ebenfalls für den Export hergestellt. Es ist unwahrscheinlich, dass sie auch tatsächlich als Barbier-Schale eingesetzt wurde (schon aufgrund ihres Gewichts wäre sie dafür nicht wirklich tauglich gewesen). Es ist eher davon auszugehen, dass sie z. B. in einem Barbier-Salon als Dekorationsmittel zum Einsatz kam.
#56
Imari Porzellan (spätes 17. – frühes 18. Jahrhundert)
Schale, verziert mit einem Blumen- und Vögel-Design in Unterglasur-Blau
Dieses Ausstellungsstück und das nächste sind besonders interessant – nicht nur, weil sie ausnehmend prachtvoll bemalt wurden, sondern auch, weil sie im Zentrum die “VOC”-Markierung tragen, die die “Niederländische Ostindien-Company” (Vereenigde Oostindische Compagnie) repräsentiert. Es handelt sich hierbei um typische Beispiele für Export-Ware. Es ist denkbar, dass diese Schalen in der Hauptniederlassung der Gesellschaft oder auf ihren Schiffen zum Einsatz gekommen sind.
#57
Imari Porzellan (spätes 17. – frühes 18. Jahrhundert)
Schale, verziert mit einem Pfirsich- und Zitronatzitrone-Design in Unterglasur-Blau
#60
Imari Porzellan (spätes 17. – erste Hälfte des 18. Jahrhunderts)
Zylindrisches Gefäß mit einem knopfartigen Griff in Form eines Eichhörnchens auf dem Deckel, dekoriert mit Pflaumen und Pfingstrosen in Unterglasur Blau, Überglasur Email und Gold
Schauen Sie sich die possierliche Darstellung des Eichhörnchens an – ein bestechendes Beispiel für ausgereifte Handwerkskunst. Vom “europäischen” Stil der Griffe lässt sich darauf schließen, dass auch dieses Werkstück für den Export hergestellt wurde.
#62
Imari Porzellan (spätes 17. – erste Hälfte des 18. Jahrhunderts)
Krug mit Deckel, verziert mit chinesischen Löwen-Hunden unter Pfingstrosen, Pflaumen und Chrysanthemen in Unterglasur-Blau und Überglasur Email und Gold
Behälter in dieser Form werden “Duft-Krüge” (沈香壷 / じんこうつぼ) genannt und können an ihrer runden Form, ihrer hohen Flanke, einem erhöhten Hals mit vergleichsweise kleiner Öffnung und einem kuppelförmigen Deckel erkannt werden. Dieser Krug ist definitiv für den Export hergestellt worden, da es für derartig große Behältnisse keinen Markt in Japan gab. Er war dafür gedacht, nach Europa verschifft zu werden, um dort rein dekorativ zum Einsatz zu kommen. Da solche Werkstücke aus China oder Japan extrem teuer waren, dienten sie in erster Linie ihren wohlhabenden Besitzern dazu, ihren Status zu dokumentieren. In großen Häusern und Schlössern wurde seinerzeit mit “Porzellan-Kabinetten” regelrechter Prunk getrieben.
Bei diesem Behältnis handelt es sich um ein Beispiel für den “Kinrande-Stil” (金襴手様式 / きんらんでようしき). Der Name kommt von “Goldbrokat” (kinran / 金襴 / きんらん) – und weist schon darauf hin, dass es sich um besonders aufwändige Werkstücke handelt. Aber schauen Sie sich die üppigen Designs etwas genauer an! Sie werden feststellen, dass neben dem “sometsuke”-Blau nur wenige verschiedene Farben verwendet wurden und die Malereien vergleichsweise einfach sind – im Gegensatz zu den detaillierten und feinen Arbeiten auf den Exponaten weiter oben. Diese dekorativen Repräsentationsstücke wurden hergestellt, um von Weitem einen grandiosen Eindruck zu machen. Da sie nicht wirklich “benutzt” wurden, bestand kein Grund dafür, die Dekorationen zu filigran ausfallen zu lassen. Und das war wichtig, denn in den Jahren, in denen der Kinrande-Stil populär war, erfuhr die Porzellanherstellung in China eine Wiederbelebung. Und das bedeutete für die japanischen Hersteller, dass sie mit den Herstellungspreisen Chinas konkurrieren mussten, was die japanischen Künstler nach Wegen suchen ließ, den Produktionsprozess zu verschlanken und so die Kosten zu senken. Dabei halfen natürlich vergleichsweise einfache, sich wiederholende Muster, die Serien in größerer Stückzahl zuließen.
#65
Imari Porzellan (zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts)
Behältnis, “Kendi”, dekoriert mit chinesischem Löwen-Hund in Überglasur-Email
Dieses Schütt-Gefäß mit Ausgusstülle aber ohne Griff wird “Kendi” genannt (das Wort stammt aus dem Malaysischen). In China wurden Gefäße dieser Art bereits seit dem 14. Jahrhundert hergestellt und fanden große Verbreitung in Südostasien, wo sie für Wasser und alkoholische Getränke genutzt wurden. Die Porzellanhersteller Aritas produzierten diese Gefäße ebenfalls für den Export. Bei diesem “Kendi” waren die Linien mit schwarzem Überglasur-Email ausgeführt, die im Laufe der Zeit aber zum größten Teil verschwunden sind, da schwarze Überglasur nicht zu den “haltbaren” zählte.
#66
Imari Porzellan (zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts)
Gießkanne, verziert mit einem Pfingstrosenrelief und Überglasur-Email
#74
Imari Porzellan im Kakiemon-Stil (zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts)
Porzellanfigur einer Frau, verziert mit Überglasur-Email
Hier und bei dem nächsten Ausstellungsstück sehen wir eine Version von Porzellanprodukten, die mit dem Kakiemon-Stil (柿右衛門様式 / かきえもんようしき), der in den 1670ern entwickelt wurde, in Verbindung gebracht werden können. Die Figuren von Menschen und Tieren werden im Japanischen “okimono” (置物 / おきもの) genannt und haben, wie das Wort nahelegt, rein dekorativen Charakter. Figurinen wie diese wurden in großer Stückzahl und basierend auf vorgefertigten Formen produziert. Meist unterschieden sie sich nur in Details und in der Bemalung. Da die Figuren hohl sind und sich die Luft im Innern während des Brennens ausdehnt, hatten sich die Töpfer einen Weg einfallen lassen müssen, wie sie ein Explodieren des Rohlings beim Brennen verhindern konnten. In diesem Falle wurde ein kleines Loch in der Mundöffnung der Figur gelassen, durch das der Luftdruck entweichen konnte.
Man sagt übrigens, dass diese Porzellanskulptur nach dem Vorbild einer berühmten Kurtisane geformt wurde.
#75
Imari Porzellan im Kakiemon-Stil (zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts)
Behältnis in der Form eines auf einem Go-Spielfeld sitzenden chinesischen Jungen, verziert mit Unterglasur-Blau und Überglasur-Email
Wahrscheinlich ist die Kombination eines Go-Bretts mit einem darauf sitzenden Jungen durch die “hakamagi“-Zeremonie (袴着 / はかまぎ) inspiriert worden, die während der Edo-Zeit am fünften Geburtstag von Jungen ausgeführt wurde, um für deren Gesundheit und weiter gutes Wachstum zu beten. Zu dieser Zeremonie wurde der Junge erstmals in seinem Leben mit einer “hakama” (袴 / はかま), einer Art formeller Hose, bekleidet und auf ein Go-Brett gesetzt.
AUSSTELLUNGSRAUM 3
#79
Imari Porzellan (spätes 17. – frühes 18. Jahrhundert)
Schüssel, dekoriert mit Drachen, Wolken und Kreisen in Unterglasur-Blau, Überglasur-Email und Gold
Schüssel dieser Form nennt man “kabuto-bachi“ (兜鉢 / かぶとばち), weil ihre tiefe, abgerundete Form und der flache Rand an einen japanischen Soldatenhelm (兜 / かぶと) erinnert. Die prächtigen Farben machen dieses Ausstellungsstück zu einem perfekten Beispiel für Imari Porzellan im Kinrande-Stil (金襴手様式 / きんらんでようしき).
#80
Imari Porzellan (spätes 17. – frühes 18. Jahrhundert)
Schale, dekoriert mit dem “unsterblichen Qin Gao” und sechs roten Kreisen in Unterglasur-Blau, Überglasur-Email und Gold
Die Mitte dieser Schüssel ist mit einem Abbild des “unsterblichen Qin Gao” der Taoisten verziert, den man in Japan als Kinkō Sennin (琴高仙人 / きんこうせんにん) kennt, der auf einem großen Fisch “reitet”. Man erzählt sich die Legende, dass Kinkō Sennin auf der Flucht vor einem Drachen ins Wasser gesprungen ist und aus dessen Fluten auf dem Rücken eines großen Fisches reitend wieder auftauchte. Dieses Werkstück ist besonders sorgfältig gebrannt worden, denn das Porzellan ist ausnehmend gleichmäßig weiß und die Farben sind ungewöhnlich kräftig..
#82
Imari Porzellan (spätes 17. – frühes 18. Jahrhundert)
Schale, verziert mit dem einem Schriftzeichen (寿/ju = langes Leben) in Unterglasur-Blau, Überglasur-Email und Gold
Diese Schalenform wird “komagata no hachi“ (独楽形の鉢 / こまがたのはち) oder “Kreisel-Form” genannt.
#89
Nabeshima Porzellan (spätes 17. – frühes 18. Jahrhundert)
Teller, dekoriert mit Symbolen für Schätze in Unterglasur-Blau
Muster, die eine positive oder erfolgreiche Zukunft suggerierten, waren bei Nabeshima Porzellan (鍋島焼 / なべしまやき) besonders beliebt, da dieses ausschließlich als Tribut an den Shōgun und andere hochstehende Persönlichkeiten hergestellt wurde. Das “glückbringende Schätze”-Design (takarazukushi / 宝尽し / たからづくし) besteht aus möglichst vielen Glück verheißenden Symbolen. In seiner Form entspricht die Schale einem “mokuhai” (木杯 / もくはい), der flachen Trinkschale für Sake.
#91
Nabeshima Porzellan (spätes 17. – frühes 18. Jahrhundert)
Teller, verziert mit japanischen Ahornblättern und Wellen in Unterglasur-Blau und Überglasur-Email
Wundern Sie sich nicht, wenn Sie hier zwei scheinbar identische Teller sehen. Sie sind nicht identisch! Sie sind Teil eines Services, das u. a. aus 20 Tellern dieser Größe und dieses Musters besteht, und zeigen sehr eindrücklich, wie ausgereift die Herstellungsmethoden für handbemaltes Porzellan zu dieser Zeit bereits waren. Sie müssen schon ganz genau hinsehen, um die geringen Abweichungen in der Bemalung festzustellen. Wie wir oben schon gelernt haben, war Nabeshima-Porzellan als Geschenk für den Shōgun gedacht. Und solche Geschenke konnte man nicht in Einzelstücken machen, sondern sie wurden immer als komplettes Service überreicht, bestehend aus zwei großen Schalen, 20 in der Größe, wie sie oben zu sehen sind (genannt “nanasun“ / 七寸 / ななすん), plus 20 etwas kleineren Tellern, 20 noch etwas kleineren und schließlich 20 Bechern – alle im gleichen Design. Und geschenkt wurde nicht etwa “nur” eines dieser 82-teiligen Sets, sondern gleich fünf Stück davon, jedes aus 82 Teilen bestehend. Über 400 Teile feinsten Porzellans hatten dann den Weg von den Produktionsstätten im fernen Südwesten Japans nach dem weit, weit entfernten Edo zurückzulegen.
#101
Nabeshima Porzellan (spätes 17. – frühes 18. Jahrhundert)
Schale, verziert mit einem Schneeflocken-Muster in Unterglasur-Blau und Seladon
Mein Lieblings-Ausstellungsstück – nicht erst seit dieser Ausstellung.
In der Edo-Zeit machte ein Mann namens Doi Toshitsura (土井利位 / どいとしつら) eine überraschende Entdeckung, als er erstmals Schneeflocken unter einem Mikroskop betrachtete. Damals war diese importierte Technologie noch neu und schwer zu bekommen. Und natürlich hatte noch niemand vorher Schneeflocken dermaßen vergrößert betrachtet. Doi soll angeblich 20 Jahre auf das Studium der Erscheinungsformen von Schneeflocken verwendet haben – immer in einer Umgebung mit Temperaturen unter dem Gefrierpunkt. Dabei machte er detaillierte Zeichnungen der Kristalle. Und im Jahre 1832 veröffentlichte er 183 dieser Zeichnungen in einem Buch mit dem Titel “Sekka Zusetsu” (Eine bebilderte Erklärung der Schneeflocken) (雪華図説 / せっかずせつ) – der Auslöser für eine regelrechte Modewelle mit Schneeflockenmustern. Dieser Teller hier stammt natürlich aus der Zeit vor der Veröffentlichung dieses Buches. Auf ihm wurden die Schneeflocken noch im “traditionellen Stil” wiedergegeben. Die Maltechnik, die hier zur Anwendung kam, nennt man “somebokashi” oder “sometsuke no bokashi“ (染付の暈し / そめつけのぼかし), eine Technik, an die sich nur die geschicktesten Keramiker wagen.
#102
Nabeshima Porzellan (spätes 17. – frühes 18. Jahrhundert)
Schale, dekoriert mit Pfirsichen und einer Sammlung von “Schätzen” in Unterglasur-Blau und Seladon
#103
Nabeshima Porzellan (erste Hälfte des 18. Jahrhunderts)
Schale, dekoriert mit sieben Krügen in Unterglasur-Blau und Seladon
Diese Schale wurde unter Anwendung der “sumihajiki“ (墨弾き / すみはじき)-Methode (Farb-Abweisungs-Methode) ausgeführt. Bei dieser Technik werden die feinen Linien der Muster mit Tinte vorgezeichnet und die Zwischenräume mit sometsuke (染付 / そめつけ)-Unterglasur ausgefüllt. Die Tinte verbrennt beim Brennen des Werkstücks rückstandslos und lässt die Linien in feinstem Weiß zum Vorschein kommen. Die Krüge, die auf dieser Schale dargestellt sind, haben zwar fast identische Formen, aber sind unterschiedlich verziert. Es gibt Schalen mit Darstellungen von zwei, drei oder fünf Krügen, aber auch außergewöhnlich geformte Schalen in der Form solcher Krüge.
#106
Nabeshima Porzellan (18. Jahrhundert)
Seladon-Teller mit blauem Glasur-Rand
Dieses letzte Stück der Ausstellung veranschaulicht in besonderer Weise, was man “Schlichtheit & Stil” nennen möchte. Ein Teller, der noch nicht mal ansatzweise erkennen lässt, dass er bereits fast dreihundert Jahre alt ist.
In Tuchfühlung mit den kostbaren Kunstwerken:
Es ist schon so etwas wie eine “Tradition” geworden, dass bei den Führungen, die Alice Gordenker durch das Toguri-Kunstmuseum anbietet, am Ende ein ganz besonderer Höhepunkt auf die Teilnehmer wartet: die Möglichkeit, die seltenen Museumsstücke aus der Edo-Zeit ganz aus der Nähe anzusehen und zu fotografieren, ja auch in die Hand und “begreifen” zu dürfen. Das Ertasten der Oberflächen und Abwiegen des Gewichts solcher alten Werkstücke ist besonders eindrucksvoll, weil diese erst bei Berührung ihre kleinen Unebenheiten im Basismaterial und der Emaillierung offenbaren. Aber auch die Strukturen, die durch das Auftragen von Farben und Email hervorgerufen werden, eröffnen sich erst beim “Befühlen”.
Und diesmal wurden uns zwei Exponate zur Verfügung gestellt, die besonders für die Deutschen unter uns eindrucksvoll waren. Zunächst gab es eine Schale im feinsten Kakiemon-Stil zu sehen, die aus dem 17. Jahrhundert stammte. Und kurz darauf “zauberte” die Kuratorin, Frau Takeda, eine weitere Schale herbei, die fast genau das gleiche Design aufwies, lediglich etwas größer als das erste Exponat war. Was auf den ersten Blick wie eine “Zwillingsschwester” der ersten Schale aussah, stellte sich bei genauerer Betrachtung aber als plumpe (und auch ziemlich freche) “Fälschung” des japanischen Originals durch die Porzellanmeister von Meissen in Deutschland heraus – allerdings mindestens 50 Jahre später. Wo wir doch ständig davon sprechen, dass die Asiaten permanent europäisches Design stehlen…! Obwohl es den Porzellanmeistern in Meissen möglich war, ein viel weißeres Basismaterial herzustellen, so ist doch die unebene Oberfläche ihres Werkstücks noch nicht mal ansatzweise in der Lage, sich mit dem älteren japanischen Original zu messen. Und auch wenn die Bemalung der Schalen auf den ersten Blick fast identisch erscheint, lässt ein Blick auf die beiden abgebildeten Personen erkennen, dass die Maler in Meissen wahrscheinlich noch nie zuvor einen Asiaten gemalt (oder auch nur gesehen) hatten.
Auch wenn es nicht jeden Tag die Möglichkeit gibt, sich den kostbaren Kunstwerken so direkt zu nähern – ein Besuch des Museums lohnt sich auf jeden Fall.
Und falls Sie es in die laufende Ausstellung nicht mehr schaffen sollten – was wirklich schade wäre – ist es vielleicht eine gute Idee, sich die nächsten Ausstellungen schon einmal vorzumerken:
1. April bis 14. Mai 2017
Sonderausstellung zum 30. Jubiläum: Kakiemon
27. Mai bis 2. September 2017
Ko-Imari-Meisterstücke des 17. Jahrhunderts
15. September bis 15. Dezember 2017
Ko-Imari-Meisterstücke des 18. Jahrhunderts
7. Januar bis 21. März 2018
Schöne Glasuren des Ko-Imari-Porzellans
Adresse:
戸栗美術館
〒150-0046
東京都渋谷区松濤1-11-3
Toguri Bijutsukan (Toguri Kunstmuseum)
1-11-3 Shōtō, Shibuya-ku
Tōkyō 150-0046
Der Facebook-Link des Museums:
https://www.facebook.com/togurimuseum/
Die Internetseite des Museums:
http://www.toguri-museum.or.jp/english/
Öffnungszeiten:
Täglich (außer montags) von 10 Uhr bis 17 Uhr (letzter Einlass um 16.30 Uhr).
Fällt ein Feiertag auf Montag, bleibt das Museum stattdessen am darauffolgenden Werktag geschlossen. Ebenfalls geschlossen während der Neujahrsfeiertage und während des Wechsels von Ausstellungen.
Eintrittsgebühr:
Erwachsene: 1.000 Yen
Oberschüler und Studenten: 700 Yen
Grund- und Mittelschüler: 400 Yen
Für Gruppen von 20 und mehr Besuchern wird ein Nachlass von 200 Yen pro Person gewährt.
Wie man hinkommt:
Es ist wahrscheinlich am einfachsten, das Museum vom Bahnhof von Shibuya aus anzusteuern. Dort halten mehrere Eisenbahn- und U-Bahnlinien.
Nehmen Sie den “Hachikō Ausgang“ (ハチ公口 / あちこうぐち), überqueren Sie die berühmte “Wimmel-Kreuzung” (スクランブル交差点 / すくらんぶるこうさてん) und halten Sie dann weiter in nördlicher Richtung auf das ebenfalls berühmte Kaufhaus “109“ zu, das sie an seiner rechten Seite passieren und sich weiter auf das “Bunkamura“ (文化村 / ぶんかむら) zu bewegen. Laufen Sie an der Südseite des Bunkamura vorbei und biegen Sie an seiner Südwest-Ecke nach rechts ab. Das Museum befindet sich in einem leicht bergauf liegenden Wohnviertel. Vom Bahnhof von Shibuya sollten Sie mindestens 15 Minuten Gehzeit kalkulieren.